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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Autoren: Miklós Bánffy
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erleichtert aus dem Staub – hinaus zum Fiaker. »Ein ungemütlicher, wahnsinniger Kerl ist dieser Pali Uzdy«, sagten sie zueinander. Wie begossene Pudel, in ziemlich mieser Laune, räumten sie das Feld. Einzig László Gyerőffy bildete eine Ausnahme. Er schritt nun viel selbstbewusster als auf dem Herweg. Mit erhobenem Haupt ging er. Den Hut hatte er zurückgerückt, seine zusammengewachsenen Brauen zog er leicht hoch, als wolle er sich über die ganze Welt geringschätzig auslassen. Die Unterlippe schob er hoffärtig vor. »Strauchle da nicht vor mir!«, herrschte er Pityu Kendy an, der, von der Villa etwa fünfzig Schritt entfernt, versehentlich vor ihn hingeraten war. Die anderen steckten die Köpfe flüsternd zusammen; sie wussten gleich, dass er furchtbar betrunken war.
    Es stimmte. In solchen Stunden löschte der Alkohol bei ihm all die schmerzlichen Gefühle aus, mit denen er im letzten Frühling nach Siebenbürgen zurückgekehrt war: die Selbstanklage, die ihn bei Nüchternheit ohne Unterlass marterte; das Bewusstsein, dass seine Cousine, Klára Kollonich, seine große Liebe während so vieler Jahre, darum die Frau eines anderen geworden war, weil er, László, sich als schwach erwiesen hatte; ebenso die Erniedrigung, dass er wegen seiner Kartenschulden aus dem Budapester Casino hatte austreten müssen; verwischt wurde auch das Gefühl der Zweitrangigkeit, das er ständig gegenüber jedem Beliebigen empfand, der Glaube, dass er kein vollwertiger Mensch mehr sei, dass er, wenn auch unsichtbar, auf der Stirn doch ein aufgebranntes Mal trage, von dem alle wüssten, selbst wenn sie es nicht zeigten und mit ihm Freundschaft pflegten.
    Damals, bei seinem letzten großen Verlust im Kartenspiel, hätte er die Schuld eigentlich regeln können, doch er hielt es für seine vorrangige Pflicht, seiner einstigen Geliebten das ihr Geschuldete zurückzuzahlen, ihr, die ihn zuvor vor einer ähnlichen Katastrophe gerettet hatte. Er meinte, in der Schuld einer Frau zu stehen, sei schrecklicher als der öffentliche Skandal, mit dem sein Auftritt in der Hauptstadt zu Ende ging. Und seinerzeit, als er diesen Entschluss fasste, enthielt das Selbstgericht auch etwas Erhebendes und Siegreiches. Doch die seelische Kraft, die ihn damals getragen hatte, schwand bald dahin. Nur die Sünden und die Schwächen der Vergangenheit lebten in ihm weiter, sie quälten ihn fortwährend, und er vermochte sich von ihnen nur im Trunk zu befreien. In solchen Stunden schlug dann seine Stimmung ins Gegenteil um. Er wurde maßlos überheblich und abschätzig. Die Überzeugung gewann in ihm die Oberhand, dass er über den anderen stehe. Innerlich fühlte er sich als ein großer Künstler, der er tatsächlich hätte werden können, hätte er sein Talent und seine Zeit nicht vergeudet. Darüber sprach er nicht. Das versteht von denen da ohnehin keiner, dachte er selbst im Suff. Stattdessen liebte er es, über seine Erfolge in der großen Welt Vorträge zu halten und diese »Provinzler« zu beschämen.
    Seine Kameraden, versteht sich, wussten dies, und sobald er herumzustelzen begann und eine verächtliche Miene aufsetzte, fingen sie an, ihn zu hänseln, was für die Siebenbürger als das größte Vergnügen gilt. Auch jetzt schloss sich ihm Baron Gazsi gleich an, und schon legte er geschickt los: »Du tust gut daran, Pityu zurechtzuweisen, er hat ein klein wenig Erziehung sehr nötig!« Und Pityu setzte das Gesagte fort: »Ich freue mich wirklich, dass du mich belehrst, denn du bist ja in ganz anderen Kreisen zu Hause.« Worauf dann auch Ádám Alvinczy anfügte: »Es soll geschehen, was du befiehlst.« Ádáms jüngerer Bruder stimmte ebenfalls bei, und selbst Onkel Ambrus schaltete sich ein, während er Gyerőffy am Arm ergriff: »Die da sind beinahe wie Bärenjungen!«, lärmte er. »Sie haben nie etwas gesehen, anders als du, der du in Pest mit den größten Rindviechern auf gutem Fuß gestanden bist.«
    Sie umringten László, machten Bücklinge und zwinkerten einander zu; dann begann einer unter ihnen: »Oh, so schön muss der Hofball gewesen sein, von dem du erzählt hast! Der Ball mit dem serbischen König.«
    László bemerkte nicht, dass der andere das Land des Königs absichtlich falsch benannt hatte.
    »Es war nicht der serbische, es war der spanische König! Alphons XIII., Erzherzog Friedrichs jüngerer Vetter. Es würde sich geziemen, das zu wissen …« Und nun war er schon dabei, sein Lieblingsthema wortreich zu erläutern, und seine
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