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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Jan Costin Wagner

    DAS SCHWEIGEN
    Roman

    1 2 3 4 o8 o7
    © Eichborn AG, Frankfurt am Main, 2007
    Umschlaggestaltung: Christina Hucke
    unter Verwendung eines Ausschnitts des Bildes »Trio a Capella«
    von Albert Alexander Paul Rouffio (© Christie’s Images/corbis) Lektorat: Wolfgang Hörner
    Layout: Cosima Schneider
    Satz: Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda
    Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck

    (Eichborn Berlin)
    ISBN 978-3-8218-0757-7

    Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Verlagsverzeichnis schickt gern:
    Eichborn Verlag, Kaiserstraße 66, 60329 Frankfurt am Main
    www.eichborn-berlin.de

    Für Niina, Venia, Ninne und meine Eltern

    Prolog

    SOMMER 1974

    Irgendwann waren sie in den roten Kleinwagen gestiegen und losgefahren.
    Vorher hatten sie lange im Schatten der kleinen
    Wohnung gesessen. Stunden lang. Tage lang. Wochen
    lang.
    Am Anfang hatte Pärssinen ihn abfangen und eine
    Weile überreden müssen, hereinzukommen. Später
    hatte er selbst an die Tür geklopft, und dann hatte Pärs-
    sinen geöffnet, und er hatte in Pärssinens Wohnung ge-
    sessen, Sonnenflecken auf dem Boden betrachtet und
    sich auf Pärssinens Stimme konzentriert. Eine leise,
    monotone Stimme, die sich ab und zu plötzlich über-
    schlug, um gleich darauf wieder kaum hörbar fortzu-
    fahren.
    Manchmal hatte er den Kopf gehoben, um Pärssinens
    Augen zu suchen, aber er hatte sie nicht gefunden, denn
    Pärssinen hatte an ihm vorbei mitten in eine Wand gere-
    det. Er hatte den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen
    und sich wieder auf Pärssinens Stimme konzentriert.
    Nach einer Weile hatte Pärssinen eine Filmrolle aus
    einer der Hüllen genommen, den Projektor angeschal-
    tet, und während der Film lief, hatte Pärssinen endlich
    geschwiegen.
    Während Pärssinen geschwiegen hatte, hatte er die
    Leinwand fixiert und seine Hand in seiner Hosentasche
    langsam auf und ab bewegt und in d en Augenwinkeln erahnt, dass Pärssinen es bemerkte, aber nach und nach
    war das nicht mehr wichtig gewesen, und erst hatte
    Pärssinen gelacht und dann hatte er nach einer Weile
    eingestimmt und irgendwann, nach einigen Wochen,
    waren sie losgefahren.
    Pärssinen hatte gesagt: Wir fahren jetzt los, und er
    hatte darauf nichts erwidert. Pärssinen hatte die Film-
    rolle in die Hülle gelegt, die Hülle in das Regal gestellt und war aufgestanden und hatte noch einmal gesagt:
    Wir fahren jetzt los.
    Er glaubte, sich zu erinnern, dass er kurz, er wusste
    nicht, wie lange, aber es konnten ja nur Sekunden
    gewesen sein, sitzengeblieben war. Er glaubte sogar, sich
    an ein Flackern in Pärssinens Augen zu erinnern, an
    einen Moment des Zweifels. Pärssinen hatte für einen
    Moment an ihm gezweifelt, aber dann war er auch
    aufgestanden und hatte einen Schmerz im Unterleib
    gespürt, während er Pärssinen ins Freie gefolgt war.
    Die Sonne war warm gewesen und Pärssinens roter
    Kleinwagen von Monate, vielleicht Jahre altem Matsch
    verdreckt. Sie waren eingestiegen.
    In seiner Erinnerung sah er Pärssinen am Steuer sit-
    zen. Sich selbst auf dem Beifahrersitz sah er nicht. Wäh-
    rend der Fahrt hatte Pärssinen wieder angefangen zu
    reden. Hektisch und eindringlich. Hatte alles noch mal
    schnell erklärt, auf den Punkt gebracht, und er hatte an
    den Film gedacht, an eine ganz bestimmte Szene, eine
    Situation in diesem Film, diesem ... Film, eine be-
    stimmte Situation, und dann hatte er gespürt, dass es
    bald, gleich zu Ende sein würde, dass es jetzt erst be-
    gann, aber auch gleich zu Ende sein würde. Und Pärssi-
    nen hatte gesagt, sie würden diesen Scheiß jetzt durch-
    ziehen und hatte gleichzeitig den Blick von der Straße
    genommen und ihn angestarrt, und für einen Moment,
    den Moment, den er gebraucht hatte, um auszuweichen,
    hatten Pärssinens Augen ihn getroffen.
    Danach hatte er durch die Scheibe die trockene Straße
    betrachtet, und die Sonne hatte über ihrem roten Auto
    gehangen, und er hatte an eine bestimmte Szene aus
    einem Film gedacht, hatte sie sich ausgemalt, hatte sich
    vorgestellt, diese Szene wirklich zu erleben, und
    Pärssinen hatte die Geschwindigkeit gedrosselt und vor
    sich hingemurmelt, wenn er draußen am Straßenrand
    etwas sah, und dann den Kopf geschüttelt und gesagt:
    »Nein, geht
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