Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
intensivere Organisation von Genossenschaften in Siebenbürgen sowie über die Ansiedlungsaktion geführt hatte und bei denen man mit guten Aussichten vorangekommen war. In einer so großen Angelegenheit wie der Auslösung einer Regierungskrise wollte er auch keine Verantwortung übernehmen.
    »Gewiss ist das, was du mir erzählt hast, sehr ernsthafter Natur. Es ist überaus schädlich, wenn Regierungsmaßnahmen nicht mit Blick auf ihre Nützlichkeit für den Staat, sondern aus übertriebenem Nationalismus ergriffen werden. Es ehrt mich sehr, dass du mir das mitgeteilt hast. Doch kann ich dir in dieser Sache keinen Rat geben. Du hast, wie ich denke, während der Sitzung ja auch mit anderen gesprochen …«
    »Oh, nicht hierüber oder nicht so klar. Im Übrigen habe ich von dir auch keinen Rat erwartet, sondern ich wollte mit jemandem, den ich hochschätze, die Lage überblicken und zugleich erklären, warum ich abgedankt habe, wegen welcher ernsthaften Landessorgen und nicht wegen irgendwelcher zweifelhafter materieller Angelegenheiten, wie man sie mir dann von allen Seiten anklagend vorhielt.«
    Und nun fiel Zsigmond Boros plötzlich in seinen üblichen Rednerstil zurück. Er holte seinen samtenen Bariton hervor, den er nur bei solcher Gelegenheit benutzte: »Denn ich, der ich um den Preis meines Lebens und meines Bluts einzig dem Heil des Vaterlands diene, kenne keinen anderen Willen und Grund, keine andere Absicht, habe nie etwas anderes gekannt als das, was unsere Nation groß, mächtig und blühend machen kann. Entgegen der Arglist der Verschlagenen …«
    Scharfer Glockenton hallte durch alle Korridore. Er dröhnte gellend selbst von der benachbarten Kuppelhalle zu ihnen herüber. Die Abgeordneten strebten aus allen Richtungen eilig dem Sitzungssaal zu. Ein junges Mitglied der 48-er lief vorbei und rief ihnen zu: »Apponyi spricht! Alle sollen hereinkommen! Apponyi spricht!«, und rannte weiter.
    Abády kam diese Unterbrechung gelegen. Es hatte ihn unangenehm berührt, dass Boros erneut seine üblichen Phrasen bemühte, durch welche die von ihm zuvor gebrauchten, sachlich wirkenden Argumente irgendwie entkräftet wurden. Beide begaben sich in den Sitzungssaal.

    Bálint traf hernach Zsigmond Boros während längerer Zeit nicht mehr. Boros meldete sich in der Kammer nicht zu Wort. Er enthüllte nicht, dass es einen Pakt gab. Zur Brandmarkung der Regierung Fejérváry kam es auch nicht. Der Ausschuss für Rechtsfragen trat tags darauf wieder zusammen, und zur Abfassung eines neuen Textes delegierte er fünf Herren, die dann die Angelegenheit für immer begruben. Das Fremdenblatt behielt doch recht.

II.

    Es mochte auf halb zwei zugehen, als die Zigeunerkapelle sich aufrappelte und auf den Weg machte – hinaus in die Frühlingsnacht. Der März war dieses Jahr mild. Laji Pongrácz ging voran, wie sich das für den Primas gehörte; seinen Pelzkragen hatte er neben seinen schweren Wangen hochgestellt, seine teure Geige, auch sie in einen weichen Mantel gewickelt, trug er unter dem Arm. Zuhinterst, hinkend und gebückt unter dem Gewicht des schweren Instruments, das er auf dem Rücken trug, folgte der Mann, der das Zimbal schleppte. Hinter ihnen fuhr in Schritttempo ein Fiaker, auf den man einen Tisch und sechs Stühle geladen hatte. Auf den Bock aber war ein Kellner hinaufgeklettert, der auf dem Schoß einen Korb mit zahlreichen Gläsern hielt, während sich zwischen seinen Knien etwa zehn Flaschen Champagner, ferner zwei Flaschen Cognac und ein mit Eis gefüllter Blecheimer eng stapelten. Zwei städtische Polizisten schlossen den Zug.
    Letztere hatte man vom Stadthaus herbestellt, denn die Regel besagte, dass Nachtmusik anzumelden war und dazu Polizisten erbeten werden mussten. Als die Gruppe der Musikanten in die Universitätsstraße einbog, kamen die Besteller der Serenade aus dem Hotelsaal. Voran, Arm in Arm, ein gut gewachsener Bursche und ein untersetzter Mann: Ádám Alvinczy und Pityu Kendy.
    Sie hielten sich aneinander, da sie beide seit mehr als einem Jahr Adrienne Milóth gleichermaßen aussichtslos liebten. Weil sich geteiltes Leid leichter ertragen lässt, waren sie immer beisammen, und wenn sie genug Alkohol im Leib hatten, erläuterten sie einander lang ihren großen Gram. Sie bedauerten einander gehörig, bis sie dann nach den nötigen Getränken tieftraurig nach Hause zurückkehrten. So ging das Tag für Tag. Auch jetzt handelten sie weitschweifig dieses Thema ab. Ihnen folgten drei Männer. Rechts
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher