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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
Autoren: Miklós Bánffy
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sich ein anderer Zsigmond Boros, nicht jener, den Abády bisher gekannt hatte. Bisher war ihm nur der vornehme und ein wenig bombastische Redner vertraut gewesen, der patriotische, aber etwas leere Sätze wunderbar zu formulieren verstand, schöne Phrasen, die ihren Platz eher an Volksversammlungen hatten. Heute indessen sprach er sachlich und beleuchtete eine unerwartete Perspektive. Er redete leicht gallig, und tief hinter seinen Worten tönte verhüllter Hass. Er sagte dies: »Es ist klar, dass die heutige Regierung auf einer Lüge ihre Basis hat. Man hat das Publikum glauben lassen, die Koalition habe gesiegt. Dabei trifft das Gegenteil zu. Der König hat die Oberhand behalten, und der Beweis wurde erbracht, dass der Weg, auf dem man insbesondere militärpolitische, aber auch andere sogenannte Errungenschaften hatte erzwingen wollen, ganz und gar unbegehbar ist. Das aber gesteht niemand ein. Um diese Lüge weiterhin aufrechtzuerhalten, wird das Publikum mit allerlei Nichtigkeiten gefüttert. Das Parlament hat den ganzen Monat Oktober mit den Gesetzen zur Rehabilitierung Rákóczis 7 vertan. Auch die heutige Entschließung ist solcher Unsinn. Und es wird noch mehr Dinge von dieser Art geben auf allen Gebieten, die erlauben, Popularität zu erringen. Denn sie sind dazu gezwungen. Dies darum, weil sie nicht einzugestehen wagten, dass nichts von dem, was sie in der Wahlkampagne verkündet hatten, zu verwirklichen ist. Folglich müssen sie gefälligen Themen nachjagen, mit denen sich das vollkommene Scheitern ihres bisherigen Programms bemänteln lässt. Und das birgt eine furchtbare Gefahr, denn nun werden lauter Scheingesetze und Scheinmaßnahmen das Licht der Welt erblicken. Lauter Dinge, die der Presse gefallen und über die man Leitartikel zum Besten geben kann. Da sich an unserem Verhältnis zu Österreich nichts ändern lässt, werden sie ihre Ohnmacht in lauter Formeln kleiden. So wird es zugehen in der Frage der Nationalbank, des Zollgebiets 8 und der Quote 9 . Und die Österreicher sind klug. Sie werden sich unsere Selbständigkeitsformeln mit klingender Münze bezahlen lassen, und wir werden den Preis erlegen, einzig darum, damit die Zollgemeinsamkeit nicht Zollunion, sondern Zollvertrag heißt. Und es wird in allem so zugehen, denn sie müssen den Schein ihres gesteigerten nationalen Kurses aufrechterhalten und ihn zumindest in den Angelegenheiten bestätigen, die im Pakt nicht eingeschränkt sind. Apponyi 10 plant demgemäß, wie ich höre, ein neues Volksschulgesetz, bei dem er viel Geld dafür opfert, dass es auf dem Papier einen stärker betonten ungarischen Unterricht geben soll, und Kossuth will ähnlich eine neue Regelung verabschieden für die Geschäftsführung der ungarischen Staatsbahnen in Kroatien. An diesem Plan wird schon gearbeitet. Sie wollen verordnen, dass die Staatsbahn-Angestellten auch dort Ungarisch sprechen sollen! Kann man sich etwas Dämlicheres ausdenken?«
    »Tatsächlich?«, wunderte sich Bálint. »Aber laut dem Gesetz ist doch die Staatssprache dort Kroatisch.«
    »Natürlich. Und solange ich mit dabei war, widersprach ich diesem Vorschlag auch. Ich widersprach, denn wir hatten ja die Regierungspartei des Banus Khuen 11 zersprengt und der serbischen Koalition 12 zur Mehrheit verholfen. Das war genau Ferenc Kossuths Politik, denn die serbischen Parteien hatten sich in der Frage der Personalunion als einzige zusammen mit der Unabhängigkeitspartei auf eine gemeinsame Plattform gestellt.«
    Abády machte jetzt zum ersten Mal eine heftigere Zwischenbemerkung: »Das taten sie bestimmt nicht uns zuliebe. Die Schaffung der Personalunion im Falle Ungarns hätte die unmittelbare Konsequenz, dass Kroatien das gleiche Recht erhielte und sich von uns trennen würde, was vielleicht später, aber wohl bald unter Einbezug von Bosnien und Dalmatien zur Schaffung eines südslawischen Staates, das heißt zum Trialismus, führen müsste. Mir ist bekannt, dass dies in gewissen Wiener Kreisen als ein Lieblingsgedanke gilt.«
    »Darüber, glaube ich, kann man diskutieren. Bestimmt ist es aber absurd, einer Richtung zuerst zur Macht zu verhelfen und dann diejenigen, die wir selber gestärkt haben, vor den Kopf zu stoßen. Das ist es aber, was folgt, wenn diese Regierung an der Macht bleibt. Darum stellt sich für mich die Frage, ob ich nicht verpflichtet bin, dieses ganze System über den Haufen zu werfen.«
    Bálint fielen die Verhandlungen ein, die er mit verschiedenen Ministern über die
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