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Verschlungene Wege: Roman (German Edition)

Verschlungene Wege: Roman (German Edition)

Titel: Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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und den ganzen Raum auf einen Blick erfasste, hatte sie ihn eher für einen Polizisten gehalten. Ein Schriftsteller gefiel ihr da wesentlich besser. Das war beruhigender. »Was schreibt er für Bücher?«
    »Er arbeitet für Zeitschriften und so und hat bereits drei Bücher veröffentlicht. Krimis. Das passt zu ihm: Der Mann ist mir ein Rätsel.«
    Sie warf das Haar zurück und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Brody eine der Nischen ansteuerte. »Angeblich hat er mal für eine große Zeitung in Chicago gearbeitet und ist dann gefeuert worden. Er hat ein Blockhaus auf der anderen Seite des Sees gemietet und bleibt überwiegend für sich. Aber er kommt dreimal die Woche zum Abendessen her und gibt zwanzig Prozent Trinkgeld.«
    Sie drehte sich wieder zu Reece um. »Wie seh ich aus?«
    »Super.«
    »Irgendwann werde ich herausfinden, wie ich ihn in mich verliebt machen kann, nur so aus Neugier. Doch bis es so weit ist, geb ich mich mit den zwanzig Prozent zufrieden.«
    Linda-Gail ging zu der Nische und zog den Bestellblock aus ihrer Tasche. Von ihrem Platz aus konnte Reece hören, wie sie ihn fröhlich begrüßte.
    »Alles in Ordnung, Brody? Was darf’s denn heute sein?«
    Während sie aß, sah Reece der Kellnerin beim Flirten zu. Der Mann namens Brody bestellte, ohne einen Blick auf die Speisekarte zu werfen. Als sich Linda-Gail umdrehte, warf sie Reece einen übertrieben verzückten Blick zu, woraufhin diese ihre Lippen unwillkürlich schürzte. In diesem Moment sah ihr Brody mitten ins Gesicht.
    Der forschende Blick sorgte dafür, dass sich Reeces Magen zusammenzog. Obwohl sie seinem Blick sofort auswich, konnte sie spüren, wie sein Blick weiterhin auf ihr ruhte und sie fast schon unverschämt durchbohrte. Zum ersten Mal, seit sie die Schicht angetreten hatte, fühlte sie sich ungeschützt und verletzlich.
    Sie sprang von ihrem Hocker auf und stellte ihr Geschirr zusammen. Sie widerstand dem Drang, sich noch einmal umzusehen, und trug es zurück in die Küche.
     
     
    Er bestellte die Elchkoteletts und vertrieb sich die Wartezeit mit einer Flasche Coors-Bier und einem Taschenbuch. Irgendjemand hatte die Jukebox bedient und Emmylou Harris gewählt, deren Stimme Brody nicht mehr aus dem Kopf ging.
    Er machte sich Gedanken über die Braunhaarige und diesen Ausdruck in ihren Augen.
    Der Begriff »tharn«, hypnotisiert vor Angst, den Richard Adams in seinem Roman Unten am Fluss geprägt hatte, fiel ihm ein. Ein schönes Wort, dachte er, das gut zu der neuen Köchin und ihrem plötzlichen Erstarren passte.
    So wie er Joanie Parks kannte, hätte die Braunhaarige den Job nicht bekommen, wenn sie nichts draufhätte. Seiner Meinung nach verbarg sich hinter Joanies rauer Schale ein weicher Kern, aber diese Schale war dick und stachelig und tolerierte keine Nulpen.
    Natürlich bräuchte er nur die kleine Blondine fragen, um alles über die Neue zu erfahren. Aber dann würde sich herumsprechen, dass er gefragt hatte, und die anderen würden ihn nerven, würden wissen wollen, was er wusste. Er wusste ganz genau, wie so was in Orten wie Angel’s Fist funktioniert, wie sehr dort getratscht wird.
    Wenn er nicht fragte, würde er sich einfach nur etwas länger gedulden müssen, um über sie Bescheid zu wissen. Es würde Gerüchte geben, Kommentare, Spekulationen. Er hatte eine gute Antenne für so was, wenn er es drauf anlegte.
    Sie hatte etwas sehr Zerbrechliches an sich, das sich hinter einer unglaublichen Sprödigkeit verbarg. Er fragte sich nur, warum.
    Von seinem Platz aus konnte er sehen, dass er in einem Punkt schon mal richtig lag: Sie konnte wirklich was. Sie war ständig in Bewegung, ganz Profiköchin, und schien über ein zweites Paar Hände zu verfügen.
    Das war vielleicht ihr erster Job in dieser Küche hier, aber bestimmt nicht ihr erster in einer Restaurantküche. Da er sie vorerst interessanter fand als sein Buch, beobachtete er sie bei der Arbeit und trank sein Bier.
    Sie war keine Verwandte von irgendjemandem aus dem Ort, dachte er. Hätte irgendeine verloren geglaubte Tochter, Schwester, Nichte oder dritte Cousine zweiten Grades ihren Besuch angekündigt – er wüsste schon davon. Und wie eine Herumtreiberin sah sie auch nicht aus. Eher wie eine Marathonläuferin, fand er. Wegen der Vorsicht, der Bereitschaft, das Tempo falls nötig noch zu beschleunigen, die er in ihren Augen gesehen hatte.
    Als sie ein fertiges Gericht in die Durchreiche stellte, wanderte ihr Blick in seine Richtung – doch gleich darauf
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