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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen
Autoren: Nora Roberts
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Es war schließlich Lou.«
    »Wir müssen ihn finden.«
    Sie packte Ben beim Arm, bevor er sich an ihr
    vorbeidrängen konnte. »Georgetown Hospital. Er hat ihr erzählt, man würde dich in die Notaufnahme bringen.«
    Mehr brauchte er nicht zu hören, um die Treppe 437
    hinunterzurasen und zu seinem Auto zu rennen.

    Nach einer frustrierenden Fahrt von zwanzig Minuten erreichte Tess den Parkplatz des Krankenhauses. Die Straßen waren zwar fast frei, aber trotzdem hatte es Unfälle gegeben. Das Gute daran war, daß Ben bereits verarztet sein und auf sie warten würde. Außerdem war alles vorüber.
    Sie knallte die Wagentür zu und steckte die Schlüssel in die Tasche. Auf dem Heimweg würden sie eine Flasche Champagner besorgen. Nein, zwei. Und den Rest des Wochenendes würde sie damit verbringen, im Bett zu liegen und Champagner zu trinken.
    Der Gedanke war so angenehm, daß sie gar nicht bemerkte, wie eine Gestalt aus der Dunkelheit auftauchte und ins Licht trat.
    »Dr. Court.«
    Ihre erste Reaktion war Angst. Ihre Hand schnellte zum Hals, doch dann ließ sie sie lachend sinken und machte einen Schritt nach vorn. »Detective Roderick, ich wußte gar nicht, daß Sie …«
    Der weiße Priesterkragen, den er um den Hals trug, glänzte im Licht. Panisches Entsetzen befiel sie. Es war wie in ihrem Traum, als sie auch gedacht hatte, gleich werde sie in Sicherheit sein, nur um dann ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt zu finden. Sie wußte, daß sie sich umdrehen und wegrennen konnte, doch er war nur eine Armlänge von ihr entfernt und würde sie schnell einholen. Sie wußte, daß sie schreien konnte, zweifelte jedoch nicht daran, daß er sie zum Schweigen bringen würde. Für immer. Es blieb nur eines übrig: ihm mutig entgegenzutreten.
    »Sie wollten mit mir sprechen.« Nein, das kann nicht 438
    funktionieren, dachte sie verzweifelt. Nicht wenn ihre Stimme zitterte, nicht wenn ihr Kopf vom brausenden Echo ihrer Angst erfüllt war. »Ich wollte auch mit Ihnen sprechen. Ich möchte Ihnen helfen.«
    »Ich habe einmal gedacht, daß Sie das können. Sie haben freundliche Augen. Nachdem ich Ihre Berichte gelesen hatte, wußte ich, daß Sie begreifen, daß ich kein Mörder bin. Dann wurde mir klar, daß Sie zu mir gesandt worden sind. Sie würden die Letzte, die Wichtigste sein. Sie waren die einzige, die die STIMME mit Namen genannt hat.«
    »Erzählen Sie mir von der Stimme, Lou.« Sie verspürte den Wunsch zurückzuweichen, nur ein Stückchen
    zurückzutreten, sah jedoch an seinem Blick, daß selbst die kleinste Bewegung zu einer gewalttätigen Reaktion führen würde. »Wann haben Sie sie zum erstenmal gehört?«
    »Als ich ein Junge war. Die Leute sagten, ich sei verrückt, so wie meine Mutter. Ich hatte Angst, deshalb verdrängte ich sie aus meinem Bewußtsein. Später wurde mir klar, daß es der Ruf Gottes war, daß er mich zum Priesteramt berief. Ich war glücklich, auserwählt zu sein.
    Pfarrer Moore sagte, nur wenige seien auserwählt, des Herrn Werk zu verrichten und die Sakramente zu spenden.
    Doch selbst die Auserwählten werden zur Sünde verleitet.
    Selbst die Auserwählten sind schwach, deshalb bringen wir Opfer und tun Buße. Er hat mir beigebracht, wie ich meinen Körper disziplinieren muß, um gegen die Versuchung anzukämpfen. Durch Geißelung und Fasten.«
    Ein weiteres Teil des Puzzles fügte sich ein. Ein emotional gestörter junger Mann tritt ins Priesterseminar ein, um von einem emotional gestörten älteren Mann unterrichtet zu werden. Er würde sie töten. Er würde dem Weg, der ihm nach seiner Ansicht vorgezeichnet war, folgen und sie töten. Der Parkplatz war fast leer, die Tür der Notaufnahme zweihundert Meter entfernt. »Wie war 439
    es für Sie, Priester zu werden, Lou?«
    »Es bedeutete mir alles. Mein ganzes Leben war darauf ausgerichtet, verstehen Sie? Auf diesen Zweck
    ausgerichtet.«
    »Trotzdem haben Sie das Priestertum aufgegeben.«
    »Nein.« Er hob den Kopf, als schnuppere er, als lausche er auf etwas, das nur für seine Ohren bestimmt war.
    »Das war wie ein weißer Fleck in meinem Leben.
    Damals existierte ich eigentlich nicht. Ein Mann kann nicht ohne Glauben leben. Ein Priester kann nicht leben, ohne einen Zweck zu erfüllen.«
    Sie sah, wie er in die Tasche griff, und erkannte etwas weißes in seiner Hand. Der Ausdruck in ihren Augen war fast so irr wie der in seinen, als ihre Blicke sich wieder trafen. »Erzählen Sie mir von Laura.«
    Er war einen Schritt näher gekommen,
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