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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen
Autoren: Nora Roberts
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aber süß war er schon.
    »In Georgetown.«
    »Im Ernst? Ich auch. Einführung in die Rechtswissenschaft.«
    Ungeduldig rief sein Partner vom anderen Ende des Rasens: »Rod! Gehen wir nun ein Bier trinken oder nicht?«
    »Kommst du oft hierher?« fragte Rod, ohne auf seinen Freund zu achten. Das Mädchen hatte die größten braunen Augen, die er je gesehen hatte.
    »Ab und an.«
    »Wollen wir uns nicht …«
    »Rod, nun komm doch. Laß uns endlich was trinken gehen.«
    Rod sah zu seinem verschwitzten, leicht
    übergewichtigen Freund hinüber. Dann blickte er wieder in die kühlen braunen Augen des Mädchens. Gar keine Frage, wem er den Vorzug gab. »Ich komme später nach, Pete!« rief er und schleuderte die Frisbeescheibe mit einer lässigen Bewegung hoch in die Luft.
    »Bist du fertig mit Spielen?« fragte die Kunststudentin, während sie den Flug der Wurfscheibe verfolgte.
    Er grinste und berührte ihre Haarspitzen. »Kommt ganz darauf an.«

    4
    Schimpfend nahm Pete die Verfolgung der Wurfscheibe auf. Erst vor kurzem hatte er sechs Dollar dafür ausgegeben. Nachdem er beinahe über einen Hund gestolpert wäre, kraxelte er einen Abhang hinunter. Er hoffte inständig, daß die Frisbeescheibe nicht im Bach landen würde. Für seine Ledersandalen hatte er noch einiges mehr hingeblättert. Als die Scheibe in Richtung Wasser flog, stieß er laute Flüche aus. Dann prallte sie von einem Baum ab und trudelte ins Gebüsch. Schweißtriefend und ständig an das kühle Bier denkend, das ihn erwartete, schob Pete Äste zur Seite und bahnte sich einen Weg.
    Plötzlich stockte ihm das Herz, und gleich darauf begann das Blut in seinen Schläfen zu hämmern. Bevor er dazu kam, einen Schrei auszustoßen, gab er seinen Lunch, bestehend aus Pommes frites und zwei Hotdogs, wieder von sich.
    Die Frisbeescheibe war am Ufer des Baches gelandet und lag – neu und rot und fröhlich wirkend – auf einer kalten weißen Hand, welche die Scheibe ihrem Besitzer entgegenzuhalten schien.
    Es handelte sich um Carla Johnson, eine dreiundzwanzig Jahre alte Schauspielschülerin, die als Kellnerin gejobbt hatte. Vor zwölf bis fünfzehn Stunden war sie mit dem Humerale eines Priesters – weiß mit goldenen Borten –
    erdrosselt worden.

    Nachdem er seinen schriftlichen Bericht über den Johnson-Mord abgeschlossen hatte, saß Detective Ben Paris zusammengesunken am Schreibtisch. Er hatte die Fakten mit zwei Fingern in die Maschine gehämmert, doch jetzt gaben ihm ebendiese Fakten den Ball zurück.
    Keine Vergewaltigung, kein Raubmord. Ihr Portemonnaie hatte unter ihr gelegen und dreiundzwanzig Dollar und 5
    sechsundsiebzig Cent sowie eine Master Card enthalten.
    Ein Ring mit einem Opal, für den man beim Pfandleiher etwa fünfzig Dollar bekommen hätte, hatte noch an ihrem Finger gesteckt. Kein Motiv, keine Verdächtigen. Nichts.
    Ben und sein Partner hatten den Nachmittag damit verbracht, die Familie des Opfers zu vernehmen. Eine unangenehme Sache, dachte er bei sich. Notwendig, aber unangenehm. All ihre Fragen hatten immer wieder dasselbe zutage gefördert. Carla hatte Schauspielerin werden wollen. Sie war ganz in ihren Studien
    aufgegangen. Ab und zu hatte sie sich zwar mit Männern verabredet, aber keine ernsthafte Beziehung gehabt – dafür war ihr Ehrgeiz zu groß gewesen, ein Ehrgeiz, der jetzt keine Erfüllung mehr finden würde.
    Ben überflog noch einmal den Bericht und verweilte bei dem Gegenstand, mit dem sie getötet worden war, dem Schultertuch eines Priesters. Daneben war ein Zettel an die Kleidung der Toten geheftet gewesen. Vor einigen Stunden hatte er selbst neben der Leiche gekniet, um zu lesen, was darauf stand:

    Ihre Sünden sind ihr vergeben.

    »Amen«, murmelte Ben und stieß einen tiefen Seufzer aus.

    In der zweiten Septemberwoche ging Barbara Clayton kurz nach ein Uhr nachts quer über den Rasen vor der Washington Cathedral. Die Luft war warm, die Sterne funkelten, doch sie war nicht in der Verfassung, um sich an solchen Dingen zu erfreuen. Während sie über den Rasen schritt, fluchte sie leise vor sich hin. Diesem Automechaniker mit dem Frettchengesicht würde sie morgen früh aber die Meinung sagen. Angeblich hatte er 6
    das Getriebe ihres Autos repariert, so daß es wieder wie neu war. So ein Armleuchter! Nur gut, daß sie bloß noch ein paar Blocks zu laufen hatte. Jetzt würde sie mit dem Bus zur Arbeit fahren müssen. Das sollte ihr der miese kleine Dreckskerl büßen. Als eine Sternschnuppe niederging und am
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