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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen
Autoren: Nora Roberts
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Himmel ihre leuchtende Spur
    hinterließ, bemerkte sie es nicht einmal.
    Ebensowenig bemerkte es der Mann, der sie
    beobachtete. Er hatte gewußt, daß sie kommen würde.
    War ihm nicht aufgetragen worden, wachsam zu sein?
    Platzte ihm eben jetzt nicht fast der Schädel, weil die STIMME darin so laut dröhnte? Er war auserwählt, die Bürde auf sich zu nehmen und der Glorie teilhaftig zu werden.
    »Dominus vobiscum«, murmelte er. Dann schlossen sich seine Hände fest um den glatten Stoff des Humerales.
    Als seine Mission vollendet war, spürte er, wie die göttliche Macht ihn heiß durchströmte. Seine Lenden explodierten. Sein Blut rauschte. Er war rein von Sünde.
    Und sie jetzt ebenfalls. Mit einer langsamen, sanften Bewegung fuhr er ihr mit dem Daumen über die Stirn, die Lippen und die Brust, um das Zeichen des Kreuzes zu machen. Er erteilte ihr Absolution. Doch er mußte sich beeilen, denn die STIMME hatte ihn darauf hingewiesen, daß es viele Menschen gab, die die Reinheit seines Werkes nicht begreifen würden.
    Er ließ ihren Körper im Schatten liegen und ging davon.
    Tränen der Freude und des Wahnsinns glänzten in seinen Augen.

    »Die Medien setzen uns gewaltig zu.« Captain Harris schlug mit der Faust auf die Zeitung, die aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch lag. »Die ganze gottverdammte 7
    Stadt ist in Panik geraten. Wenn ich herausfinde, wer der Presse Informationen zugespielt hat …«
    Er riß sich zusammen und verstummte. Es passierte nicht oft, daß er beinahe die Beherrschung verlor. Wenn er auch hinter einem Schreibtisch saß, so war er doch, sagte er sich, immer noch Polizist, und zwar ein verdammt guter.
    Ein guter Polizist verlor nicht die Beherrschung.
    Schließlich faltete er die Zeitung zusammen und ließ den Blick über die anderen Polizisten schweifen, die sich im Zimmer befanden. Auch sie waren, wie Harris zugeben mußte, verdammt gut in ihrem Job. Etwas anderes hätte er auch nicht geduldet.
    Ben Paris saß auf der Ecke des Schreibtischs und spielte mit einem Briefbeschwerer aus Gußharz. Harris kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß Ben gern etwas in der Hand hatte, wenn er nachdachte. Er war noch verhältnismäßig jung, doch zehn Jahre Polizeidienst hatten ihn zu einem erfahrenen, bewährten Beamten gemacht. Ein erstklassiger Polizist, auch wenn er sich nicht immer an die Regeln hielt. Die beiden Belobigungen wegen Tapferkeit hatte er zu Recht erhalten, fand Harris. In entspannteren Situationen amüsierte es ihn sogar, daß der dunkelhaarige, drahtige Ben mit seinem hageren Gesicht und dem kräftigen Knochenbau wie die Hollywoodversion eines Undercoveragenten aussah. Er hatte volles Haar, das für einen konventionellen Haarschnitt zu lang war, aber schließlich ließ er es auch in einem jener modischen kleinen Friseursalons in Georgetown schneiden. Er hatte hellgrüne Augen, denen nichts Wichtiges entging.
    Auf einem Stuhl saß, die ellenlangen Beine von sich gestreckt, Ed Jackson, Bens Partner. Bei einer Körpergröße von eins fünfundneunzig und einem Gewicht von zweihundertfünfzig Pfund schaffte er es
    normalerweise, einen Verdächtigen allein durch seinen 8
    Anblick einzuschüchtern. Er trug – was mit einer bestimmten Absicht verbunden oder eine Marotte sein mochte – einen Vollbart, der so rot war wie die Lockenmähne auf seinem Kopf. Seine Augen waren blau und blickten freundlich drein. Auf eine Entfernung von fünfzig Metern konnte er mit seiner Dienstpistole ein Loch durch den Adler auf einer Vierteldollarmünze schießen.
    Harris legte die Zeitung beiseite, setzte sich jedoch nicht hin. »Also, was habt ihr rausgefunden?«
    Ben warf den Briefbeschwerer von einer Hand in die andere, dann stellte er ihn wieder auf den Tisch.
    »Abgesehen von Statur und Hautfarbe gibt es keine Verbindung zwischen den beiden Mordopfern. Keine gemeinsamen Freunde, keine gemeinsamen Stammlokale.
    Den Bericht über Carla Johnson haben Sie ja schon.
    Barbara Clayton hat in einer Boutique gearbeitet, geschieden, keine Kinder. Die Familie wohnt in Maryland, Fabrikarbeiter. Bis vor drei Monaten hat sie sich ziemlich häufig mit einem Mann getroffen. Die Sache ging in die Brüche, er ist nach L. A. gezogen. Wir überprüfen ihn noch, sieht aber so aus, als hätte er nichts damit zu tun.«
    Er griff in die Tasche, um eine Zigarette herauszuholen, und fing dabei den Blick seines Partners auf.
    »Das macht sechs«, sagte Ed fröhlich. »Ben versucht nämlich, weniger als eine Schachtel, am Tag zu
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