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Verlorene Seelen

Verlorene Seelen

Titel: Verlorene Seelen
Autoren: Nora Roberts
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Der Tag war noch langsamer verstrichen, als er erwartet hatte.
    »Die Tage werden immer kürzer«, sagte Ed, der es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte. Ihm war es so warm wie einem Bären in seinem Pelz, da er unter seinem gefütterten Parka Kordhosen, einen Pullover, ein Flanellhemd und lange Unterhosen trug. Bens Füße waren längst schon taub vor Kälte.
    »Da ist Pilomento.«
    Der Polizist trat aus dem Gebäude, blieb kurz auf dem Bürgersteig stehen und schlug den Kragen seines Mantels hoch. Das war das verabredete Signal, das besagte, daß sich Lowenstein in der Wohnung befand und alles in Ordnung war. Bens Muskeln entspannten sich, wenn auch nur minimal.
    »Du brauchst dir keine Sorgen um sie zu machen.« Ed streckte sich ein wenig und fing an, isometrische Übungen zu machen, damit er keinen Krampf in den Beinen bekam.
    »Lowenstein ist so tüchtig, daß sie es mit einer ganzen Armee aufnehmen könnte.«
    »Vor Einbruch der Dunkelheit wird er nichts
    unternehmen.« Da ihm die Ohren abfrieren würden, wenn er das Fenster zu lange aufließ, nahm sich Ben statt der Zigarette, nach der es ihn eigentlich verlangte, ein Milky Way.
    »Ist dir bewußt, wie sich all dieser Zucker auf deinen Zahnschmelz auswirkt?« fragte Ed, der sich nie geschlagen gab, und holte einen kleinen Plastikbehälter hervor, in dem sich eine von ihm selbst zusammengestellte 426
    Mischung aus Rosinen, Datteln, ungesalzenen Nüssen und Weizenkeimen befand. Er hatte so viel davon gemacht, daß es für zwei reichte. »Du mußt endlich anfangen, deinen Appetit umzuerziehen.«
    Ben biß demonstrativ ein großes Stück von seinem Schokoriegel ab. »Wenn Roderick uns abgelöst hat, machen wir auf dem Weg zum Revier beim Burger King halt. Dann bestelle ich mir einen Whopper.«
    »Bitte nicht, während ich esse. Wenn Roderick, Bigsby und all die anderen im Dezernat sich richtig ernähren würden, wären sie von der Grippe verschont geblieben.«
    »Ich bin nicht krank geworden«, sagte Ben, der den Mund voll Schokolade hatte.
    »Reiner Zufall. Spätestens mit vierzig wird dein Organismus revoltieren. Das wird dann nicht sehr angenehm. Was ist das?« Ed setzte sich aufrecht hin, um einen Mann zu beobachten, der langsam die andere Straßenseite entlangging – zu langsam und zu vorsichtig.
    Sein schwarzer Mantel war bis zum Kragen zugeknöpft.
    Beide Polizisten hatten bereits eine Hand an der Waffe und die andere am Türgriff, als der Mann plötzlich anfing zu rennen. Ben stieß die Autotür auf, doch in dem Moment schnappte sich der Mann eines der kleinen, im Schnee spielenden Mädchen und warf es in die Höhe. Das Mädchen brach in lautes Gelächter aus und rief:
    »Papi!«
    Ben atmete kräftig durch und setzte sich wieder hin.
    Jetzt kam er sich ziemlich töricht vor. »Du bist genauso nervös wie ich«, sagte er zu Ed.
    »Ich mag sie. Ich bin froh, daß du dich dazu
    durchgerungen hast, mit ihrem Großvater das
    Erntedankfest zu verbringen.«
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    »Ich habe ihr von Josh erzählt.«
    Eds Augenbrauen gingen in die Höhe und verschwanden unter der Pudelmütze, die er sich über den Kopf gezogen hatte. Das ließ, wie er wußte, auf ein emotionales Engagement schließen, wie selbst er es Ben nicht zugetraut hätte. »Und?«
    »Ich glaube, ich bin froh, daß ich es getan habe. Sie ist das Beste, was mir in meinem ganzen Leben widerfahren ist. Mein Gott, hört sich das schmalzig an.«
    »Ja.« Zufrieden kaute Ed auf einer Dattel herum.
    »Verliebte neigen nun mal zur Gefühlsduselei.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich verliebt bin«, erwiderte er so rasch, wie man eine Reflexbewegung macht, wenn man auf einer Falltür steht. »Ich meine nur, daß sie etwas Besonderes ist.«
    »Manchen Menschen bereitet es Schwierigkeiten, sich ihre Gefühle einzugestehen, weil sie befürchten, letztendlich zu versagen. Das Wort Liebe wird zu einem Hindernis. Ist es erst einmal ausgesprochen, so wird es zu einem Hemmschuh, der sie in ihrer Freiheit einschränkt und sie zwingt, sich als die eine Hälfte eines Paars zu sehen.«
    Ben warf die Verpackung des Schokoriegels auf den Boden.
    »Reader’s Digest?«
    »Nein, hab’ ich erfunden. Vielleicht sollte ich einen Artikel schreiben.«
    »Sieh mal, wenn ich in Tess oder sonst jemanden verliebt wäre, dann wäre es kein Problem für mich, es zu sagen.«
    »Und? Bist du in sie verliebt?«
    »Sie liegt mir am Herzen. Sehr sogar.«
    428
    »Eine Untertreibung.«
    »Sie bedeutet mir viel.«
    »Ausweichend
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