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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht
Autoren: Jeaniene Frost
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auch – zeitweise – die besonderen Fähigkeiten des Spenders in mich auf. Nachdem ich von einer Ghula getrunken hatte, die zufällig über einen ungewöhnlich starken Draht zu den Toten verfügte, war ich für jeden Geist im selben Postleitzahlengebiet unwiderstehlich geworden. Im Stillen sorgte ich mich, ob womöglich meine geborgten Fähigkeiten mit daran schuld sein konnten, dass Don den Übertritt ins Jenseits nicht schaffte. Sicher war ihm der Gedanke auch schon gekommen, deshalb war er wohl auch noch mieser drauf als sonst.
    »Sag ihnen, sie sollen leiser sein, Kätzchen«, murmelte Bones, als er ins Zimmer kam. »Ich kann ja meine eigenen Gedanken nicht hören.«
    Ich erhob die Stimme, um sicherzugehen, dass ich nicht nur innerhalb des Hauses, sondern auch auf der Terrasse und im Garten gehört wurde.
    »Bitte, Leute, würdet ihr euch wohl ein bisschen leiser unterhalten?«
    Dutzende von Gesprächen wurden sofort gedämpfter weitergeführt, obwohl ich den Befehl extra als Bitte formuliert hatte. Mir war es noch immer unangenehm, dass mir dank meiner neu erworbenen Fähigkeiten sämtliche Geister blind gehorchen mussten. Ich wollte diese Macht über andere nicht und war dementsprechend vorsichtig in meiner Wortwahl gegenüber dem Geistervolk. Insbesondere was meinen Onkel betraf. Wie die Welt sich doch verändert, dachte ich. In all den Jahren, in denen ich Dons Team von Elitesoldaten angehört hatte, hatte es mich genervt, seinen Befehlen folgen zu müssen. Jetzt musste er sich nach meinen richten, wenn ich das wollte … damals mein sehnlichster Wunsch, und heute nur noch lästig.
    Bones ließ sich in den nächsten Sessel sinken. Sein schlanker, muskulöser Körper strahlte eine berauschende Mischung aus Sexappeal und geballter Energie aus, obwohl er ganz lässig dasaß, einen nackten Fuß an meinem Schenkel. Sein dunkles Haar war noch feucht von der Dusche, die er gerade genommen hatte, sodass sich die kurzen Löckchen noch enger an seinen Kopf schmiegten. Ein einzelner Wassertropfen rollte träge seinen Hals hinunter in Richtung der gemeißelten Brust, und ich musste mir die Lippen anfeuchten, so stark war plötzlich mein Verlangen, dem Tropfen mit der Zunge nachzuspüren.
    Wären wir allein gewesen, hätte ich dieses Verlangen nicht unterdrücken müssen. Bones wäre nur allzu bereit für ein kleines nachmittägliches Intermezzo gewesen. Seine Libido war so legendär wie seine Gefährlichkeit, aber angesichts der Tatsache, dass zwei Geister uns beobachteten, musste ich mich eben gedulden.
    »Wenn noch mehr von diesen Spukgestalten auftauchen, pflanze ich rund ums Haus Knoblauch und Hanf«, stellte Bones beiläufig fest.
    Mein Onkel warf ihm einen finsteren Blick zu, weil ihm klar war, dass diese Pflanzen in großen Mengen geisterabwehrend wirkten. »Nicht, bevor ich dort bin, wo ich hingehöre.«
    Ich hustete, was nicht mehr notwendig war, seit ich nach Belieben aufs Atmen verzichten konnte.
    »Meine Fähigkeiten sind bestimmt schon bald wieder verschwunden. Solche geborgten Eigenschaften haben sich bei mir bisher höchstens zwei Monate gehalten. Und so lange ist es jetzt schon fast her, dass … na ja.«
    Noch immer wussten die meisten nicht, dass es Marie Laveau, Voodoo-Königin von New Orleans, gewesen war, die mich zu einer Art Kindergärtnerin für Geister gemacht hatte. Sie hatte mich dazu genötigt, ihr Blut zu trinken. Klar, später hatte ich begriffen, warum sie es getan hatte, aber als es passiert war, hatte es mich ziemlich wütend gemacht.
    »Ich kenne einen Geist, der drei Wochen auf seinen Eintritt ins Jenseits warten musste«, meldete sich Fabian aus der Tür zu Wort. Auf mein dankbares Lächeln hin trat er ganz ein. »Bestimmt fällt Cat noch etwas ein, das dir den Übergang ermöglichen wird«, fügte er voller Zuversicht hinzu.
    Der Gute. Echte Freunde findet man eben in unterschiedlichster Gestalt, selbst in transparenter.
    Don war nicht überzeugt. »Ich bin seit über fünf Wochen tot«, entgegnete er knapp. »Kennst du jemanden, der sich so lange gedulden musste?«
    Mein Handy klingelte, sodass Fabian eine Antwort erspart blieb, weil ich drangehen musste. Das Timing war echt gut, denn seinem Gesichtsausdruck nach hätte Don Fabians Auskunft ohnehin nicht gefallen.
    »Cat.«
    Ich brauchte nicht erst einen Blick auf die Nummernanzeige zu werfen, um an dieser einen Silbe zu erkennen, dass es Tate war, der Hauptmann meines alten Teams. Er wollte vermutlich Don sprechen, da
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