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Verlockung der Nacht

Verlockung der Nacht

Titel: Verlockung der Nacht
Autoren: Jeaniene Frost
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Selbstgespräche führen. Don war hier jahrelang Chef gewesen und gestorben, nun stattete er dem Stützpunkt zum ersten Mal wieder einen Besuch ab, und das auch noch in transzendenter Gestalt, sodass die meisten seiner Kollegen ihn nicht mal sehen konnten. Bestimmt nervte ihn das mehr, als ich mir vorstellen konnte.
    Wir gingen den Flur entlang zum Aufzug, und ich notierte im Stillen die Dinge, die sich geändert hatten, seit ich das letzte Mal hier gewesen war. In diesem Gebäudeteil hatte es zwei geschäftige Büros gegeben, während jetzt allein unsere Schritte auf dem Linoleum zu hören waren.
    Im Aufzug drückte ich den Knopf für das zweite Untergeschoss, wo sich die Mitarbeiterbüros befanden. Ein starkes Déja-vu-Gefühl überkam mich, als sich die glänzenden Türen schlossen. Als ich das letzte Mal in diesem Aufzug hinabgefahren war, hatte ich an Dons Bett eilen und ihm Lebewohl sagen wollen. Jetzt stand er neben mir, und die gegenüberliegende Seite der Aufzugkabine war durch sein Profil hindurch verschwommen zu erkennen. Das Leben hielt wirklich einiges an Überraschungen parat.
    »Nur zu deiner Information, falls ich hier irgendwo ein helles Licht sehe, renne ich hinein, ohne auch nur auf ein verdammtes Wort von dir zu warten«, durchbrach mein Onkel das Schweigen.
    Der Sarkasmus in seinem Tonfall brachte mich zum Lachen. »Ich werde dich die ganze Zeit anfeuern«, versicherte ich ihm, froh darüber, dass sein beißender Sinn für Humor ihn trotz der harten Wochen, die hinter uns lagen, nicht verlassen hatte.
    Der Aufzug hielt an, und wir stiegen aus. Instinktiv wollte ich den Weg zu Dons ehemaligem Büro einschlagen, wandte mich dann aber nach links. Tate hatte gesagt, es käme ihm falsch vor, Dons altes Büro zu übernehmen, obwohl es das größte war und über eine kleine Kommandostation verfügte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Mir wäre es auch wie Grabschändung vorgekommen, Dons Büro auszuräumen, wo er doch im Grunde noch da war, auch wenn das nur wenigen Leuten in diesem Gebäude bewusst war. Mein Onkel hatte nicht gewollt, dass sein neuer, transzendenter Status publik wurde, aber ich hatte mich geweigert, den untoten Teammitgliedern gegenüber ein Geheimnis daraus zu machen, denn die konnten Don ohnehin sehen und mit ihm reden.
    Tates Tür war angelehnt. Ich trat ohne anzuklopfen ein, obwohl ich wusste, dass er nicht allein war. Jemand mit schlagendem Herzen war bei ihm. Jemand mit schlagendem Herzen und zu viel Rasierwasser für die empfindliche Nase eines Vampirs.
    »Hey, Tate«, sagte ich und bemerkte sofort Tates steife Haltung, obwohl er saß. Der Grund für seine Anspannung war wohl der große, hagere Mann, der ein Stück entfernt von Tates Schreibtisch stand. Sein ergrauendes Haar war genauso kurz geschnitten und hoch gebürstet wie das von Tate, aber irgendetwas an ihm sagte mir, dass seine Frisur das einzig Militärische an ihm war. Er stand viel zu lässig da. Der verblüffte Blick, den er uns zuwarf, zeigte, dass ihm unsere Gegenwart auch erst auf meine Bemerkung hin aufgefallen war, und Vampire waren zwar leise, aber ich hatte bestimmt nicht versucht, mich anzuschleichen.
    Die Arroganz in seinem Blick, sobald er sich von seiner Überraschung erholt hatte, sorgte dafür, dass ich mein Urteil über ihn von Zivilist auf Beamtenarsch revidierte. Im Grunde gab es nur zwei Arten von Personen, die einem bei einem ersten Zusammentreffen gleich derart borniert gegenübertraten: solche, die mit jeder Menge fieser paranormaler Fähigkeiten ausgestattet waren, und solche, die fest der Überzeugung waren, ihre Beziehungen würden ihnen das Recht geben, eigene Regeln aufzustellen. Da Mr Obercool ein Mensch war, traf wohl Letzteres auf ihn zu.
    »Sie sind sicher der neue Controller«, sagte ich mit einem Lächeln, das auf jemanden, der mich nicht kannte, freundlich wirken musste.
    »Ja«, war seine kühle Antwort. »Mein Name ist …«
    »Jason Madigan«, führte Don den Satz gleichzeitig mit dem grauhaarigen Beamten zu Ende. Die Stimme meines Onkels klang angespannt, fast schockiert. »Was macht der denn hier?«

2
    Statt mich Don zuzuwenden, wie ich es instinktiv hatte tun wollen, sah ich weiter Madigan an. Ich durfte ihn nicht merken lassen, dass ein Geist im Zimmer war, und Dons Frage war ohnehin rein rhetorisch gemeint gewesen, da er wusste, dass Madigan ihn nicht hören konnte.
    »Cat Crawfield … Russel«, stellte ich mich vor. Okay, nach menschlichen Gesetzen waren Bones und ich zwar
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