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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht
Autoren: Scott Westerfeld
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Peris.
      "Ich bin’s", sagte Tally noch einmal.
      Peris trat einen Schritt zurück und hob die Augenbrauen. Er schaute an ihren Kleidern hinunter.
      Tally fiel ein, dass sie ihre ausgebeulte schwarze Expeditionskluft trug, verdreckt von all dem Klettern und Kriechen. Peris’ Anzug war aus tiefschwarzem Samt, sein Hemd, seine Weste und seine Krawatte leuchteten weiß.
      Sie wich zurück. "Oh, tut mir leid. Ich will dich nicht schmutzig machen."
      "Was machst du denn bloß hier, Tally?"
      "Ich wollte nur ...", stammelte sie. Jetzt, wo sie ihm gegenüberstand, wusste sie nicht, was sie sagen sollte. All die Gespräche, die sie sich ausgemalt hatte, waren in seinen großen, schönen Augen versunken. "Ich muss einfach wissen, ob wir noch ..."
      Tally streckte die rechte Hand aus, die Handfläche mit der Narbe nach oben gedreht, schmutziger Schweiß zeichnete die Ränder und Linien nach.
      Peris seufzte. Er sah ihre Hand nicht an und er schaute ihr nicht in die Augen. Nicht in ihre schielenden, eng sitzenden, trübebraunen Augen. Niemandsaugen. "Sicher", sagte er. "Aber, ich meine - hättest du nicht warten können, Scheelauge?"
      Ihr Ugly-Spitzname klang seltsam aus dem Mund eines Pretty. Natürlich wäre es noch absurder, ihn >Nase< zu nennen, wie sie das sonst an die hundert Mal pro Tag getan hatte. Sie schluckte. "Warum hast du mir nicht geschrieben?"
      "Ich hab’s versucht. Aber es kam mir so sinnlos vor. Ich bin jetzt ein anderer."
      "Aber wir sind ..." Sie zeigte auf ihre Narbe.
      "Sieh dir das mal an, Tally." Er streckte ihr seine eigene Hand hin.
      Die Haut war glatt und makellos. Es war eine Hand, die sagte: Ich brauche nicht hart zu arbeiten und ich bin zu klug, um Unfälle zu erleiden.
      Die Narbe, die sie sich gemeinsam zugelegt hatten, war verschwunden.
      "Sie haben sie weggemacht."
      "Natürlich haben sie das, Scheelauge. Ich habe überall völlig neue Haut."
      Tally blinzelte. Daran hatte sie gar nicht gedacht.
      Er schüttelte den Kopf. "Du bist immer noch so ein Kind."
      "Fahrstuhl erbeten", sagte der Fahrstuhl. "Nach oben oder nach unten?"
      Tally zuckte zusammen, als sie die Automatenstimme hörte. "Warten, bitte", sagte Peris ruhig.
      Tally schluckte und ballte eine Faust. "Aber dein Blut haben sie nicht ausgetauscht. Das haben wir geteilt, egal, was noch kommt."
      Endlich sah Peris ihr ins Gesicht und zuckte dabei nicht zusammen, wie sie befürchtet hatte. Er hatte ein wunderschönes Lächeln. "Nein, das haben sie nicht. Neue Haut, was soll’s. Und in drei Monaten können wir über das hier lachen. Es sei denn ..."
      "Es sei denn, was?" Sie schaute in seine großen braunen Augen, die so von Sorge um sie erfüllt waren.
      "Versprich mir einfach, keine Dummheiten mehr zu begehen", sagte Peris. "Wie hierherzukommen. Dinge, die dir Ärger einbringen würden. Ich will dich als Pretty sehen."
      "Natürlich."
      "Also versprich mir das."
      Peris war nur drei Monate älter als Tally, aber als sie jetzt die Augen niederschlug, kam sie sich vor wie ein Winzling. "Na gut, versprochen. Keine Dummheiten. Und heute Nacht kriegen sie mich auch nicht."
      "Okay, dann nimm deine Maske und ..." Er verstummte.
      Sie schaute in die Ecke, in die das Schweinegesicht gefallen war. Die nicht mehr benutzte Maske hatte sich selbst recycelt und war zu rosa Staub zerfallen, den der Teppich auf dem Fahrstuhlboden bereits wegfilterte.
      Tally und Paris starrten sich schweigend an.
      "Fahrstuhl erbeten", beharrte die Maschine. "Nach oben oder nach unten?"
      "Peris, ich verspreche dir, dass sie mich nicht kriegen. Kein Pretty kann so schnell rennen wie ich. Bring mich einfach nach unten zu ..."
      Peris schüttelte den Kopf. "Nach oben, bitte. Dach."
      Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung.
      "Nach oben? Peris, wie soll ich dann ..."
      "Gleich neben der Tür, in der großen Garderobe - Bungeejacken. Da hängen jede Menge davon, falls es mal brennt."
      "Du meinst, springen?" Tally schluckte. Ihr Magen machte eine Rolle rückwärts, als der Fahrstuhl zum Stehen kam.
      Peris zuckte mit den Schultern. "Ich mach das ganz oft, Scheelauge." Er zwinkerte ihr zu. "Es wird dir gefallen."
      Der verschmitzte Ausdruck ließ sein hübsches Gesicht noch anziehender wirken und Tally warf ihre Arme um ihn. Wenigstens fühlte er sich noch so an wie früher, wenn auch vielleicht ein wenig größer und dünner. Aber er war warm und solide und noch immer Peris.
     
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