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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht
Autoren: Scott Westerfeld
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immer gleichen Witze über ihre Maske und riskierte es, in jedes einzelne Zimmer zu schauen.
      Aber da gab es nur überraschte Blicke und auf sie gerichtete Finger und hübsche Gesichter. Keins davon kam ihr bekannt vor. Peris war nirgendwo zu sehen.
      "Hierher, Schweinchen, hier! Da ist sie!"
      Tally rannte in den obersten Stock, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Sie keuchte, unter der Maske brach ihr der Schweiß aus und die Haftstoffe kribbelten bei dem Versuch, das Schweinegesicht auf ihrer Haut zu halten. Sie wurde jetzt von einer Gruppe von Partygästen verfolgt, die auf der Treppe übereinander stolperten und lachten.
      Tally blieb keine Zeit, um dieses Stockwerk abzusuchen. Sie schaute sich auf dem Gang um. Hier oben war wohl sowieso niemand. Alle Türen waren geschlossen. Vielleicht hielten ein paar Pretties ja doch ihren Schönheitsschlaf.
      Wenn sie auf das Dach ging, um dort nach Peris zu suchen, steckte sie in der Falle.
      "Hierher, Schweinchen, hier!"
      Zeit für die Flucht. Tally stürzte auf den Fahrstuhl zu und kam drinnen mühsam zum Stehen. "Erdgeschoss", befahl sie.
      Sie wartete, schaute ängstlich auf den Gang hinaus und keuchte in den heißen Kunststoff ihrer Maske. "Erdgeschoss", wiederholte sie. "Tür zu."
      Nichts geschah.
      Sie seufzte und schloss die Augen. Ohne ihren Interface-Ring war sie ein Niemand. Der Fahrstuhl würde ihr nicht gehorchen. Tally wusste, wie man einen Fahrstuhl austrickst, aber dazu brauchte man Zeit und ein Taschenmesser. Sie hatte beides nicht. Die ersten ihrer Verfolger kamen schon aus dem Treppenhaus und stolperten in den Gang.
      Tally sprang zur Seite, stellte sich auf Zehenspitzen und presste sich möglichst eng an die Fahrstuhlwand, um nicht gesehen zu werden. Es kamen immer mehr Verfolger, sie keuchten und schnauften, wie aus der Form geratene Pretties das eben tun. Tally konnte sie im Spiegel des Fahrstuhls beobachten.
      Was bedeutete, dass die anderen auch Tally sehen konnten, wenn sie in ihre Richtung blickten.
      "Wo steckt das Schweinchen denn jetzt?"
      "Hierher, Schweinchen."
      "Auf dem Dach vielleicht!"
      Jemand betrat schweigend den Fahrstuhl und schaute leicht verwundert zu den Suchenden. Als er Tally entdeckte, fuhr er zusammen. "Meine Güte, du hast mich ja vielleicht erschreckt!" Er klimperte mit seinen langen Wimpern, musterte ihr maskiertes Gesicht und schaute an seinem eigenen Frack herunter. "Ach, Himmel. Ist das denn keine Party mit Abendkleidung?"
      Tally bekam keine Luft mehr, ihr Mund war wie ausgedörrt. "Peris?", flüsterte sie.
      Er sah sie genauer an. "Kennen wir ..."
      Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken, dann fiel ihr ein, dass sie sich ja an die Wand pressen musste. Ihre Muskeln protestierten, weil es so anstrengend war, auf Zehenspitzen zu stehen. "Ich bin’s, Peris."
      "Hierher, Schweinchen!"
      Er drehte sich zu der Stimme auf dem Gang um, hob die Augenbrauen und sah dann wieder Tally an. "Tür zu. Warten", sagte er rasch.
      Die Tür glitt zu und Tally stolperte vorwärts. Sie zog die Maske vom Gesicht, um ihn besser sehen zu können. Es war Peris: seine Stimme, seine braunen Augen, die Art, wie er die Stirn runzelte, wenn er verwirrt war.
      Aber jetzt war er so hübsch .
      In der Schule war ihnen erklärt worden, welche Wirkung das hatte. Es spielte keine Rolle, ob man Ahnung von der Evolution hatte - es funktionierte trotzdem. Bei allen.
      Es gab eine bestimmte Art von Schönheit, eine Hübschheit, die alle erkennen konnten. Große Augen und volle Lippen, wie bei einem Kind, glatte, klare Haut, symmetrische Züge und tausend andere kleine Hinweise. Irgendwo im Hinterkopf suchten die Menschen immer nach diesen Kennzeichen. Niemand konnte sie übersehen, egal, wie man erzogen worden war. Eine Million Jahre Evolution hatten sie zu einem Teil des menschlichen Gehirns werden lassen.
      Die großen Augen und Lippen sagten: Ich bin jung und verletzlich, ich kann dir nichts tun und du möchtest mich beschützen. Und der Rest sagte: Ich bin gesund, ich werde dich nicht anstecken. Und egal, was man für eine hübsche Person empfand, es gab einen Teil von einem selbst, der dachte: Wenn wir Kinder hätten, würden die auch gesund sein. Ich will diese hübsche Person ...
      Es war die Biologie, das hatten sie in der Schule gelernt. Es war wie das Schlagen des Herzens, man musste das alles einfach glauben, wenn man so ein Gesicht sah. Ein hübsches Gesicht.
      Ein Gesicht wie das von
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