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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht
Autoren: Scott Westerfeld
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Ufer hinzog. Das taten sie nie. Neue Pretties hatten immer zu viel Spaß, um Dinge zu bemerken, die nicht ganz so waren, wie sie sein sollten.
      Als die Lichter des Bootes verschwunden waren, testete Tally den Strick mit ihrem ganzen Gewicht. Einmal hatte er sich vom Baum gelöst und sie und Peris waren abwärts- und dann über die Flussmitte hinausgeschleudert worden, ins kalte Wasser. Sie lächelte bei dieser Erinnerung und ihr ging auf, dass sie lieber dieses Abenteuer noch einmal erleben würde - triefnass in der Kälte, aber zusammen mit Peris -, als so wie heute trocken und warm zu sein, aber eben allein.
      Hände und Knie um die Knoten im Strick geschlungen, hangelte Tally sich zur dunklen Brücke hoch, dann kletterte sie verstohlen durch das eiserne Skelett hinüber nach New Pretty Town.
            ***
      Wo Peris wohnte, wusste sie durch die eine Nachricht, zu der er sich herabgelassen hatte, nachdem er hübsch geworden war. Peris hatte darin keine Adresse genannt, aber Tally wusste, wie man die willkürlich aussehenden Ziffern am Ende eines Ping entschlüsselte. Und diese hier führten zu einem Ort namens Garbo Mansion, der im hügeligen Teil der Stadt lag.
      Es würde schwierig werden, dorthin zu gelangen. Auf ihren Expeditionen hatten Tally und Peris sich immer am Ufer gehalten, wo die vielen Pflanzen und Bäume und der dunkle Hintergrund von Uglyville das Verstecken leicht machten. Aber jetzt steuerte Tally das Zentrum der Insel an, wo die ganze Nacht hindurch Festwagen und fröhlich feiernde Menschen auf den erleuchteten Straßen unterwegs waren. Frischgebackene Pretties wie Peris lebten immer da, wo am ausgelassensten gefeiert wurde.
      Tally hatte sich den Stadtplan genau eingeprägt, aber wenn sie auch nur einmal um die falsche Ecke bog, wäre sie verloren. Ohne ihren Interface-Ring war sie für Fahrzeuge unsichtbar. Die würden sie einfach überfahren, als ob sie ein Nichts wäre.
      Und natürlich war Tally hier wirklich ein Nichts.
      Schlimmer, sie war hässlich. Aber sie hoffte, dass Peris das nicht so sehen würde. Dass er sie nicht so sehen würde.
      Tally konnte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn man sie erwischte. Auf jeden Fall etwas anderes als die Strafen, die es gab, wenn sie ihren Ring "vergaß", Schule schwänzte oder das Haus dazu brachte, ihre Musik lauter als erlaubt zu spielen. Das machten alle und alle wurden dafür bestraft. Aber sie und Peris hatten immer darauf geachtet, sich auf ihren Expeditionen nicht erwischen zu lassen. Den Fluss zu überqueren war ein schwerwiegendes Vergehen.
      Jetzt war es sowieso zu spät, sich deswegen Sorgen zu machen. Und was konnten sie ihr denn überhaupt antun? In drei Monaten würde sie doch selber hübsch sein.
      Tally schlich am Fluss entlang, bis sie einen Vergnügungspark erreichte und unter einer Reihe von Trauerweiden in der Dunkelheit verschwinden konnte. Im Schutz der Bäume folgte sie einem Pfad, der von kleinen tanzenden Flammen erhellt wurde.
      Ein hübsches Paar kam den Weg entlang. Tally erstarrte, aber die beiden bemerkten nichts, sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, einander in die Augen zu starren, um Tally zu entdecken, die in der Dunkelheit auf dem Boden kauerte. Tally sah zu, wie sie vorübergingen, und sie verspürte das warme Gefühl, das sie beim Anblick eines hübschen Gesichts immer überkam. Sogar als sie und Peris aus den Schatten heraus Pretties bespitzelt und über all den Blödsinn gekichert hatten, den die Hübschen sagten und taten, hatten sie sie doch immer wieder anstarren müssen. Die großen und perfekten Augen der Pretties hatten etwas Magisches, sie sorgten dafür, dass man den starken Wunsch verspürte, auf jedes ihrer Worte zu hören, sie vor jeglicher Gefahr zu beschützen, sie glücklich zu machen. Sie waren so ... hübsch.
      Die beiden verschwanden um die Ecke und Tally schüttelte den Kopf, um ihre verwirrten Gedanken zu ordnen. Sie war nicht zum Glotzen hergekommen. Sie war eine Infiltratorin, ein Eindringling, eine Ugly. Und sie hatte eine Mission.
      Der Park ragte in die Stadt hinein, er wand sich wie ein schwarzer Fluss zwischen hellen Partytürmen und Häusern. Tally schlich weiter und schreckte wenig später ein zwischen den Bäumen verstecktes Paar auf (das hier war ja schließlich ein Vergnügungspark), aber in der Dunkelheit konnten die beiden ihr Gesicht nicht sehen und lachten nur, als sie eine Entschuldigung murmelte und davonschlüpfte. Auch sie
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