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0241 - Der Pesthügel von Shanghai

0241 - Der Pesthügel von Shanghai

Titel: 0241 - Der Pesthügel von Shanghai
Autoren: Jason Dark
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Der Himmel hatte eine seltsame Farbe angenommen. War er vorhin noch hell gewesen, so zeigte er jetzt ein verwaschen wirkendes Grau, in das sich gelbe, lange Streifen mischten, als wären hinter der grauen Wand einige Taschenlampen eingeschaltet worden.
    Zuerst fiel Ryan O’Casey die Veränderung gar nicht auf. Er war zu sehr mit sich selbst und der Fahrerei beschäftigt, denn es war wirklich kein Kinderspiel, den Jeep über den alten Knüppeldamm zu balancieren.
    Und einem Balanceakt glich diese Fahrerei schon. Der Damm bestand aus Holzbohlen, die in den harten darunterliegenden Lehm fest integriert waren, sich jedoch im Laufe der Zeit verschoben hatten, so daß sie an einigen Stellen wie Klötze hervorstachen oder gesplittert waren.
    Man mußte schon einen Jeep besitzen, um den Knüppeldamm überhaupt passieren zu können. Außerdem fuhren die Einheimischen höchstens mit Fahrrädern darüber. Wer sich den Luxus leistete und es mit einem Fahrzeug probierte, kam entweder von der Partei oder war ein Fremder aus Europa.
    Ryan O’Casey stammte aus diesem fernen Kontinent. Er war in London geboren, seine Eltern hatte es aber nach Hongkong verschlagen, wo O’Casey auch aufwuchs und nach seiner Schule als Kaufmann in einer Firma begann, die sich auf die Ausfuhr von Seide spezialisiert hatte. O’Casey war ein Mensch, der sich gut auf die Gegebenheiten des fernen Asien einstellen konnte. Er kam mit den Leuten zurecht und hatte sich nicht gescheut, auch Chinesisch zu lernen. Er beherrschte drei Dialekte, für einen Europäer wirklich außergewöhnlich. Das hatten auch seine Chefs erkannt. Da er zudem noch kaufmännisches Geschick besaß, avancierte er zum Verkaufsleiter der Firma und wurde in das benachbarte Rotchina geschickt, um die geschäftlichen Kontakte zu intensivieren. Seide war nach wie vor ein begehrter Artikel, und Ryan O’Casey war es unter großen Mühen gelungen, die Kontakte zu den rotchinesischen Geschäftspartnern so auszuweiten, daß die Chinesen ihn als Geschäftspartner akzeptierten.
    Nach dem Tod des großen Mao hatte man im Land der Mitte sowieso umdenken müssen, um überleben zu können. Die Schranken zum Ausland hin wurden ein wenig geöffnet, man ließ amerikanischen und europäischen Einfluß ins Land, und einer großen deutschen Autofirma war es sogar gelungen, eine Filiale ihres Sterns in China einzurichten.
    Ryan O’Casey profitierte von dieser Öffnung nach außen. Seine Geschäfte liefen gut. In der Gegend von Shanghai besaß er ausgezeichnete Kontakte zu den chinesischen Seidenraupenzüchtern. Er teilte ihnen seine Wünsche mit, sie richteten sich danach, und über eine Genossenschaft wurde dann verkauft.
    Beide Seiten zeigten sich zufrieden, und auch beide Seiten waren an einem Ausbau interessiert.
    Wegen der guten Geschäfte nahm Ryan O’Casey auch gern die Fahrt über den Knüppeldamm in Kauf, ließ sich durchschütteln und kümmerte sich auch nicht um die Landschaft rechts und links des Damms.
    Sie gehörte zu einer Gegend, die man als unheimlich bezeichnen konnte.
    Flach wie ein Brett war sie. Dazu schimmerte sie braun wie ein aufgefurchter Acker. Hin und wieder schmatzte es, stiegen Blasen hoch, zerplatzten und entließen Gase, die fürchterlich stanken.
    Ein Sumpf befand sich hier.
    Aber ein Sumpf mit Toten!
    Vor langer Zeit hatte die Pest in diesem Landstrich gewütet.
    Tausende waren gestorben. Viele hatte man verbrannt, einige auch kurzerhand in die Sümpfe geworfen, und die braune Erde hatte sie schmatzend verschlungen.
    China, ein Land reich an Geschichten, hielt auch für die Gegend eine entsprechende Sage bereit. Man sagte, daß die Toten im Sumpf gar nicht tot waren, sondern in der unheimlichen Tiefe lauerten, um zurückzukehren, damit die Pest abermals über das Land und die Stadt Shanghai herfallen konnte.
    Deshalb nannte man diese Gegend auch die Pesthügel von Shanghai.
    Ryan O’Casey kannte die Geschichten, man hatte sie ihm oft genug erzählt.
    Er hütete sich, bei seinen Gastgebern darüber zu lachen oder auch nur zu lächeln, denn er wußte, wie empfindlich die Chinesen reagierten, wenn ein Fremder ihre Sagen und Märchen ablehnte.
    Ein paarmal schon hatte er sein Gesicht verzogen, wenn der Jeep über die Lücken im Damm gefahren war. Da hatte das Fahrzeug jedesmal einen Schlag bekommen, der auch O’Casey durchschüttelte und seine Zähne aufeinanderprallen ließ.
    Freiwillig hätte er den Weg nicht übernommen, aber sein Job ließ keine Alternative zu. Er
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