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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht
Autoren: Karin Slaughter
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Nein, nein, nein«, wiederholte sie und dachte dabei an das, was Nan gesagt hatte, und wusste, was Sibyl gesagt hätte, wenn sie jetzt bei ihr wäre.
    » Sei stark«, sagte Lena an Sibyls Stelle. » Sei noch stärker, als du jetzt schon bist.«
    Lena dachte auch an Hank, der in ihrem Bad auf dem Boden gesessen und hemmungslos geweint hatte, so wie sie jetzt weinte.
    » Wenn er zu mir in den Raum zurückkam«, begann Lena. Sie zwang sich weiterzureden, wollte sich mit aller Kraft dazu bringen, seinen Namen auszusprechen. » Wenn er zu mir zurückkam«, wiederholte sie, » war ein Teil von mir wie erlöst.« Sie hielt wieder inne, weil sie wusste, dass es immer noch nicht stimmte. Sie konnte Mark das alles sagen, weil Mark verstand. Er wusste, wie es sich anfühlte, so leer zu sein, dass man gierig nahm, was immer die Menschen einem anboten. Sie kannte die Einsamkeit, in einem stockdunklen Raum eingeschlossen zu sein und nichts tun zu können, als zu warten. Sie wusste, dass irgendwann der Punkt kam, an dem der Verstand sagte, dass alles falsch war, der Körper aber sein eigenes verräterisches Spiel trieb und nach Trost lechzte, ganz gleich, wer es war.
    Sie schluchzte, setzte nochmals an. » Wenn er zurückkam in den Raum«, begann sie, » war ein Teil von mir… glücklich.«

Zweiundzwanzig
    I m Hinterzimmer der Kinderklinik saß Sara Lacey Patterson gegenüber. Erst vor wenigen Tagen war Lacey hierhergekommen, um Hilfe zu suchen. Sie hatte Unaussprechliches hinter sich. Sara blieb eigentlich nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis das Mädchen sprach. Aber dann fragte sie doch: » Dottie hat dich einfach in Waynes Haus zurückgelassen?«
    » Ja«, sagte Lacey und blickte auf ihre Schuhe. Sie hatte darum gebeten, auf dem Fußboden sitzen zu dürfen, und Sara war der Bitte nachgekommen, um die Situation für das Mädchen so angenehm wie möglich zu machen. Lacey wollte nicht, dass Sara ihr zu nahe kam. Also saß sie mitten im Zimmer, und Sara lehnte mit dem Rücken an der geschlossenen Tür.
    Lacey sagte: » Von den Pillen wurde ich müde.«
    » Und du erinnerst dich an nichts bis zu dem Zeitpunkt, als du im Krankenhaus aufgewacht bist?«
    Sie nickte und kaute an ihren Fingernägeln. Die Zeit verstrich, und das junge Mädchen hatte den Daumennagel bis zur Nagelhaut abgekaut und wollte sich gerade dem kleinen Finger widmen, als Sara nach ihrer Hand griff, um sie davon abzuhalten.
    » Du tust dir doch weh«, sagte Sara, erkannte aber sofort, dass diese Ermahnung reichlich sinnlos war.
    » Wird Mark irgendwann mal wieder okay sein?«
    » Das weiß ich nicht, mein Liebes.«
    Lacey verkrampfte sich, fing aber nicht zu weinen an. » Ich wollte ihn doch gar nicht verletzen.«
    » Was meinst du damit?«
    » Er hat sich mal wieder auf mich gestürzt, und da hab ich eben das Messer genommen.«
    » Du warst es also, die ihm die Schnittwunden zugefügt hat?«
    Sie nickte und nahm sich einen neuen Fingernagel vor. » Sie waren bei Dottie, haben Sachen aus dem Haus geräumt und dann auch neu gestrichen. Ich hatte mich versteckt, aber Mark hat mich gefunden. Ich hab ihm einen Fußtritt an den Kopf verpasst.« Sie nahm die Finger aus dem Mund. » Mark wollte nicht, dass ich hierher zu Ihnen gehe. Ich wollte mich nur verabschieden, aber dann hab ich solche Angst gekriegt, dass mir schlecht geworden ist. Es tut mir leid.«
    » Schon gut«, besänftigte Sara. » Dann ist Mark aufgetaucht? Und du bist davongerannt. Dottie hat dich in den schwarzen Wagen gezogen?«
    Lacey nickte, wollte aber immer noch nicht sagen, wer den schwarzen Wagen gefahren war. Sie fragte: » Glauben Sie, dass er deswegen versucht hat, sich umzubringen? Weil ich ihn geschlagen habe?«
    » Nein«, versicherte Sara. » Ich glaube, Mark hatte eine ganze Menge Probleme, und deswegen meinte er, das sei der einzige Ausweg.«
    » Darf ich ihn besuchen?«
    » Wenn du möchtest.«
    » Ja.«
    Sara lehnte sich zurück und beobachtete das Mädchen beim Nägelkauen. Lacey trug jetzt einen ganz kurzen Raspelhaarschnitt. Dottie hatte sie wahrscheinlich als Jungen ausgeben wollen, bis sie sie an den Meistbietenden verkaufen konnte.
    » Kommt mein Daddy bald zurück?«, fragte Lacey.
    » Möchtest du ihn denn sehen?«
    » Er hat nichts gewusst«, sagte sie, als hätte sie Saras Gedanken gelesen. » Ich wusste das von Mark und Mama, aber Daddy hat nichts gewusst.«
    » Bist du sicher?«
    Sie nickte. » Wenn er’s rausgefunden hätte, dann hätte er Mark umgebracht.«
    » Und
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