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Vergessene Stimmen

Titel: Vergessene Stimmen
Autoren: Michael Connelly
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aber nicht spektakulär, was aber keine Rolle spielte, weil das Gebäude bald abgerissen würde. Die Polizei würde in provisorische Räumlichkeiten umziehen, während an derselben Stelle ein neues modernes Polizeipräsidium errichtet wurde. Das gegenwärtige Präsidium hieß bei den einfachen Polizisten das Glashaus, weil es dort angeblich keine Geheimnisse gab. Bosch fragte sich, unter welchem Namen das neue Gebäude wohl bekannt würde.
    Der Polizeichef saß an einem großen Schreibtisch und unterzeichnete Papiere. Ohne von seiner Tätigkeit aufzublicken, forderte er Bosch auf, vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Nach dreißig Sekunden hatte der Chief das letzte Dokument unterschrieben und schaute auf. Er lächelte.
    »Ich wollte Sie kennen lernen und wieder im Department begrüßen.«
    Er sprach wie jemand aus dem Osten des Landes. Di-pahtment . Das störte Bosch nicht weiter. In L.A. war jeder von woanders. Zumindest schien es so. Das war sowohl die Stärke als auch die Schwäche dieser Stadt.
    »Es ist schön, wieder dabei zu sein«, sagte Bosch.
    »Sie wissen, dass Sie auf mein Betreiben hin wieder hier sind.«
    Das war keine Frage.
    »Ja, Sir, das weiß ich.«
    »Wie Sie sich sicher denken können, habe ich umfangreiche Erkundigungen über Sie eingezogen, bevor ich Ihre Rückkehr in den Polizeidienst genehmigt habe. Ich hatte zwar wegen Ihres – nennen wir es mal Stils – gewisse Bedenken, aber letzten Endes überwog doch Ihr Talent. Auch Ihrer Partnerin Kizmin Rider dürfen Sie für ihre Fürsprache danken. Sie ist eine gute Polizistin, und ich habe Vertrauen zu ihr. Sie hat Vertrauen zu Ihnen.«
    »Ich habe mich bereits bei ihr bedankt, aber ich werde es noch einmal tun.«
    »Ich weiß, es ist nicht einmal drei Jahre her, dass Sie den Dienst quittiert haben, aber lassen Sie mich Ihnen versichern, Detective Bosch, die Polizei, in die Sie heute wieder eintreten, ist nicht mehr die Polizei, aus der Sie ausgeschieden sind.«
    »Dessen bin ich mir bewusst.«
    »Hoffentlich. Wissen Sie über den Konsenserlass Bescheid?«
    Unmittelbar nachdem Bosch aus dem Department ausgeschieden war, war der damalige Chief gezwungen worden, einer Reihe von Reformen zuzustimmen, um nach einem FBI-Ermittlungsverfahren wegen massiver Korruption, Brutalität und Menschenrechtsverletzungen eine Übernahme durch die Bundespolizei abzuwenden. Der gegenwärtige Polizeichef musste sich an diesen Erlass halten, wenn er nicht riskieren wollte, künftig seine Weisungen vom FBI zu erhalten. Und das wollte niemand, angefangen beim Chief bis hinab zum einfachen Streifenpolizisten.
    »Ja«, sagte Bosch. »Ich habe davon gelesen.«
    »Gut. Es freut mich, dass Sie sich auf dem Laufenden halten. Und noch mehr freut es mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir entgegen allem, was Sie vielleicht in der Times gelesen haben, große Fortschritte machen und diesen Schwung nicht verlieren wollen. Wir wollen die Polizei auch in technischer Hinsicht auf den neuesten Stand bringen. Wir sind sehr um eine größere Volksnähe der Polizei bemüht. Wir haben eine Vielzahl positiver Entwicklungen eingeleitet, Detective Bosch, aber davon kann in den Augen der Öffentlichkeit vieles wieder zunichte gemacht werden, wenn wir auf althergebrachte Methoden zurückgreifen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
    »Ich denke schon.«
    »Sie werden nicht sofort fest in den Polizeidienst übernommen, sondern erst einmal nur ein Jahr auf Probe. Betrachten Sie sich also wieder als Berufsanfänger. Ein Neuling – der älteste Neuling übrigens. Ich habe Ihre Wiederaufnahme in den Polizeidienst angeordnet – genauso kann ich Sie im Lauf dieses Jahres jederzeit ohne Angabe eines Grundes wieder vor die Tür setzen. Geben Sie mir also keinen Grund.«
    Bosch antwortete nicht. Er glaubte auch nicht, dass das von ihm erwartet wurde.
    »Am Freitag findet in der Polizeiakademie die Abschlussfeier des letzten Kadettenjahrgangs statt. Ich hätte gern, dass Sie daran teilnehmen.«
    »Sir?«
    »Ich möchte, dass Sie daran teilnehmen. Ich möchte, dass Sie das Engagement in den Gesichtern dieser jungen Menschen sehen. Ich möchte Ihnen noch einmal die Traditionen dieser Behörde vor Augen halten. Ich glaube, das könnte Ihnen zu neuer Motivation verhelfen.«
    »Wenn Sie das möchten, werde ich an der Feier teilnehmen.«
    »Gut. Dann sehen wir uns also in der Polizeiakademie. Sie sitzen als mein Gast im VIP-Zelt.«
    Der Chief machte sich auf einem Block einen Vermerk zu der
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