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Tödlicher Schnappschuss

Tödlicher Schnappschuss

Titel: Tödlicher Schnappschuss
Autoren: Andreas Schmidt
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    EINS
    Burg Polle, 23.55 Uhr
    Die breiten Reifen des roten
     Porsche 911 wirbelten winzige Steine auf, als er das teure Fahrzeug am Fuß
     der Burgruine zum Stehen brachte. Mit einem satten Blubbern erstarb der
     hubraumstarke Motor im Heck des Sportwagens. Es war eine laue Nacht, und
     er ließ das Verdeck geöffnet. Mit einer eleganten Bewegung schälte
     sich Christian Vorberg aus dem Cockpit und blickte sich um. Der Porsche
     war das einzige Auto auf dem kleinen Parkplatz. Also war er pünktlich.
     Sein Geschäftspartner ließ sich Zeit.
    Vorberg betätigte die
     Fernbedienung des Porsche; die Warnlichtanlage flackerte einmal durch die
     Dunkelheit und signalisierte ihm, dass der Wagen abgeschlossen war. Mit lässigen
     Bewegungen erklomm Vorberg die ausgetretenen Steinstufen, die zur Ruine
     der Burg Polle hinaufführten. Oben angekommen, verharrte der smarte
     Enddreißiger und lauschte in die Stille der Nacht. Der Wind frischte
     auf und verfing sich in den Ecken des Mauerwerkes, um dort ein
     unheimliches Heulen zu erzeugen. Das Laub des Efeus, das an Teilen der
     Steinquader emporrankte, raschelte unheilvoll. Die düstere Atmosphäre
     dieses Ortes begeisterte ihn seit seiner Jugend. Jetzt, im silbrigen Licht
     des Mondes, strahlte das Gemäuer eine ganz besondere Faszination auf
     ihn aus. Es war, als könnte er das, was hier in den letzten
     Jahrhunderten geschehen war, körperlich spüren. Schicksale,
     Grausamkeiten, aber auch Feste und Feierlichkeiten, die hier
     im Mittelalter stattgefunden hatten. So hielt er einen Augenblick lang
     inne und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Sein Atem ging
     rasselnd. In den letzten Wochen hatte er ein paar Kilo zugelegt, was
     sicherlich am ständigen Fast Food lag, das er sich zu Gemüte führte.
     Vielleicht sollte er wieder ein wenig mehr Sport treiben, mal wieder mit
     dem Mountainbike durch die ausgedehnten Wälder des Weserberglandes
     fahren, so, wie er es früher immer gern getan hatte. Seine
     Leidenschaft war einfach zu kurz gekommen, stellte er bedauernd fest. Doch
     man musste Prioritäten setzen.
    Christian Vorberg besann sich
     auf den Grund seines nächtlichen Besuches auf Burg Polle.
    Weiter, rief alles in ihm. Er
     atmete tief ein, registrierte einen muffigen Geruch. Als im Gebüsch
     hinter ihm der schaurige Ruf eines Käuzchens durch die Nacht hallte,
     war die Gruselatmosphäre perfekt. Er war in der Gegend aufgewachsen,
     und so war er nicht zum ersten Mal auf Burg Polle, allerdings war dies
     sein erster Besuch nach Einbruch der Dunkelheit.
    Man hatte ihn angerufen und
     um ein Treffen gebeten. Vorberg war gespannt, was ihn hier erwarten würde.
     Als er seinen Weg über die ausgetretenen Steinstufen fortsetzte,
     knirschten winzige Gesteinsbrocken unter den Sohlen seiner Schuhe. Er
     passierte den hohen Torbogen und fand sich innerhalb der Burgruine wieder.
     Doch Zeit, sich umzublicken, fand er nicht, denn im gleichen Augenblick
     schob sich eine Wolke vor den Mond. Es schien, als hätte jemand das
     Licht ausgeknipst. Er unterdrückte einen enttäuschten Seufzer.
     Missmutig trat er an die alte Mauer und blickte hinunter ins Tal, wo sich
     die Weser wie ein schwarzer Lindwurm gen Norden schlängelte. Den Anleger der Fähre konnte man
     kaum ausmachen. In seinem Rücken wuchs der mächtige Bergfried in
     den Himmel. Tagsüber kamen Touristen her, um den wunderschönen
     Ausblick auf Polle und auf das Tal der Weser zu genießen, sie
     machten Erinnerungsfotos und genossen das Panorama, das sich hier bot.
     Doch jetzt konnte er mehr von der idyllischen Landschaft erahnen, als er
     sie sehen konnte.
    »Du bist spät
     dran.«
    Erschrocken wirbelte er auf
     dem Absatz herum, war er doch davon ausgegangen, noch allein zu sein. Die
     Person, die ihn hierher zitiert hatte, war also doch schon hier. Vorberg fühlte
     sich, als habe man ihm aufgelauert. Die Dunkelheit verschlang die
     geheimnisvolle Person vollends, und Vorberg war es, als spreche er mit
     einer schwarzen Mauer aus meterdicken Quadern.
    »Du wolltest mich
     sprechen?« Er wollte mit der Bemerkung Zeit gewinnen und von seiner
     Unsicherheit ablenken. Mit angestrengtem Blick starrte er auf die Stelle,
     wo er sein Gegenüber vermutete.
    »Allerdings. Ich
     glaube, du kannst dir denken, worum es geht.«
    Die Stimme kam ihm bekannt
     vor. Er hasste diese Art von Treffen und spürte Wut in sich
     aufsteigen. Wut über sich selbst, der Aufforderung des Anrufers
     nachgekommen zu
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