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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung
Autoren: Tanja Kinkel
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sie machte sich nichts vor. Er würde Petronio bleiben und sich immer auch Geld auf dem schnellen Weg verdienen. Aber er war ihr Bruder geblieben und an ihrer Seite, und er sollte sein Leben so leben, wie er es wollte.
    Calori war so sehr in Gedanken, dass es ihr erst auffiel, dass die Tür zu ihrem Zimmer nur angelehnt war, als sie diese hinter sich schloss. Keine Kerze oder Öllampe brannte, das fiel ihr als Nächstes auf. Dabei hörte sie ein Kleiderrascheln und Atemzüge. Sie war ganz gewiss nicht allein in diesem Raum.
    »Maria?«
    »Die kleine Schlampe hat schreien wollen«, sagte eine männliche, ihr unbekannte Stimme. »Aber nicht lange.«
    Ihr Herz blieb stehen. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, wollte die Tür öffnen, aber der Mann in ihrem Zimmer war schneller. Mit ein, zwei Schritten war er neben ihr, und eine Hand legte sich auf ihren Mund, während die andere sie um die Taille packte und anhob. Er war stark, sehr stark.
    »Ihro Gnaden hat mich geschickt, um dir eine Lektion zu erteilen«, raunte die Stimme in ihr Ohr, während sie vergeblich versuchte, ihn in die Hand zu beißen und nach Hilfe zu rufen. »Ich habe da eine Flasche mit Säure bei mir, die kannst du trinken. Behältst du sie im Mund, zerfrisst sie dir deine Stimme, schluckst du sie, zerstört sie deinen Magen. Du entscheidest. Ich soll’s so lange wie möglich dauern lassen, aber wenn du mir Schwierigkeiten machst, dann kann ich dir auch gleich den Hals umdrehen.«
    Blinde Panik erfasste sie. Das hatte sich eine Teufelin ausgedacht, die sie gut kannte. Nun, da sich ihre Augen etwas mehr an das Dunkel im Zimmer gewöhnt hatten, konnte sie auf dem Boden vor dem Bett eine reglose Gestalt ausmachen. Maria, dachte Calori, Maria, er hat Maria getötet. Alles ist wirklich, das ist kein Traum, es geschieht mir, geschieht hier und jetzt!
    Sie hörte auf, gegen ihn anzukämpfen. Wenn sie eine Chance haben wollte, dann nur, wenn er sie losließ, und dazu musste er glauben, dass sie sich aufgab. Sie ließ ihren Körper zusammensacken, und die große, schwere Gestalt trug sie zum Bett hin. Immer noch verschloss er ihr den Mund, und der Arm, der sie umschlungen hielt, verhinderte, dass sie genügend Abstand zwischen ihm und sich gewinnen konnte, um irgendeine Bewegung zu machen.
    Ein heftiges Klopfen an der Tür ließ den unbekannten Diener der Contessa innehalten.
    »Calori?«, fragte Giacomos Stimme. »Calori, ich weiß, dass du hier bist, ich habe dich eintreten sehen. Wir müssen miteinander reden.«
    Der Mann zischte ihr ins Ohr: »Sag ihm, er soll verschwinden. Wenn du Dummheiten machst, es kostet mich keine zwei Herzschläge, um dir das Genick zu brechen.«
    »Calori?«
    Die Finger lösten sich von ihrem Mund, aber wanderten sofort zu ihrer Kehle. Improvisation, dachte Calori. Jetzt, sofort und um ihr Leben. Eine weitere Chance würde es nicht geben.
    »Geh zurück zu deiner Contessa, Giacomo«, sagte sie laut und schnell, »und sag, ihr Diener verrät mir gerade gegen viel Geld alles, was ich wissen …« Ihre Stimme ging in einem Gurgeln unter, weil seine Finger ihre Kehle abschnürten.
    »Du Dreckstück!«, fluchte der Mann, schmiss sie aufs Bett und suchte nach einer Waffe, um sich auf Giacomo zu stürzen, der die Tür geöffnet hatte, aber in der Tür stehen geblieben war.
    Im Licht, das hereinfiel, zeichnete sich sein Schattenriss scharf ab.
    »Sie können der Contessa selbst bezeugen, wie ich ihren Auftrag getreulich ausführe«, stieß der Mann hervor, der Giacomo offenbar erkannte.
    »Das könnte ich«, stimmte Giacomo zu und klang trotz der Lage sehr ruhig, »aber das werde ich nicht. Stattdessen werde ich ihr sagen, dass ich Sie dabei beobachtet habe, wie Sie mit La Calori hier über die Contessa lachten und damit prahlten, ihr Geld für nichts einzustreichen.«
    Er hatte ihren Faden aufgegriffen und spann ihn weiter, wie ein Komödiant bei der Commedia dell’Arte, wie damals, als sie für Don Sancho gespielt hatten, und Hoffnung glomm in ihrem Herzen.
    »Wenn sie von der Leiche der Sängerin hört, dann weiß sie …«
    »Und wie wollen Sie das anstellen? Nichts für ungut, mein Freund. Sie befinden sich im Haus der neuen Favoritin des Herzogs. Er dürfte nicht erfreut sein, wenn Sie seine Geliebte umbringen, und zu dieser Tür hinaus kommt niemand. Sie werden Bekanntschaft mit einem Kerker machen, die Contessa wird natürlich leugnen, Sie beauftragt zu haben, aber die Leute des Herzogs kennen genügend Mittel, Sie zum Reden
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