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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin
Autoren: Carmen Korn
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Troll
    T roll war ein gemütlicher Hund. Das verdankte er den Genen seiner Mutter, die lauter gut gelaunte Hütehunde zu ihren Vorfahren zählte. Trolls Vater, ein leicht erregbarer Terrier, dessen rötliches Fell Troll geerbt hatte, ließ hingegen keine Wildspur links liegen und ging gern einmal für Stunden im Unterholz eines Waldes verloren.
    Zu sagen, Troll sei ein gehorsamer Hund, wäre jedoch übertrieben gewesen. Er war einfach der anhängliche Typ, der den Menschen, zu dem er gehörte, nicht gern aus den Augen verlor.
    Darum drehte Troll sich an diesem Tag im Juni dauernd nach ihm um und schien erleichtert, wenn er ihn auf dem nahen Waldweg sah. Ein tückischer Weg, der den Menschen leicht ins Stolpern brachte. Wurzeln, die sich aufbäumten unter der Erde, altes feuchtes Laub, das diese Wurzeln verbarg, nahe liegende Tümpel, die auf einen unbedachten Schritt lauerten. Ein unwegsamer Weg.
    Troll lief jenseits des Weges, trat da und dort letzte Buschwindröschen platt, ließ sich von Glitzerpapier narren, in dem er ein liegen gelassenes Schokoladenei zu finden glaubte, ein Fund, der ihm dann und wann in seinem sechsjährigen Leben gelungen war, und scharrte unter den Farnen. Bis er vor einer dieser Farngruppen jäh stehen blieb.
    Sein Fell sträubte sich.
    Troll hörte den Pfiff des Menschen, der schon weitergegangen war, doch Troll tat etwas Unerwartetes. Er folgte dem Pfiff nicht. Dieser Geruch, der ihm in die schwarze Hundenase geriet, hielt ihn fest.
    Trolls Mensch war an einer Weggabelung angekommen und wartete. Pfiff noch einmal. Lang und anhaltend. Ein wenig verdrossen.
    Troll bellte. Troll jaulte. Troll wehklagte.
    Da endlich hörte sein Mensch auf ihn und kehrte um. Ging mit schneller werdenden Schritten zurück, um mit eigenen Augen zu sehen, was Troll dort im Unterholz gefunden hatte. Beinah versteckt von einem großen Adler farn und neben den Knochen eines kleinen Tieres. Etwas, das nackte dünne Storchenbeine hatte, deren Füße in Fellstiefeln steckten. Der kurze Tüllrock hatte sich hochgeschoben. Der obere Teil des Körpers blieb von den Blättern des Farns verborgen.
    Trolls Mensch fluchte, als er das Handy nicht in seinen Taschen fand. Er zögerte, dieses tote Mädchen dort liegen zu lassen, hatte den Impuls, es zu bergen. Doch dann nahm er den Hund an die Leine und lief aus dem Wald. Den kürzesten Weg aus dem Wald. Er kam nicht an Ellerbeks Hecke vorbei und auch nicht an Theos Haus.
    Troll lief voraus, dass sich die Leine spannte.

Theo und Lucky
    T heo stand am Fenster seines Zimmers und sah über die Straße zum alten Ellerbek hinüber, der den Liguster schnitt. Erstaunlich, dass dieser dürre kleine Mann die große Heckenschere noch halten konnte, und das bei der Hitze. Ellerbek hat schon den Tod im Gesicht, hatte Theos Mutter gestern Abend gesagt.
    Den Tod im Gesicht. Die düsteren Sätze seiner Mutter machten das Leben in diesem Haus nicht heiterer. Theo wandte sich vom Fenster ab und zog das Hemd aus. Gestern noch hatte er einen Pullover darüber getragen. Ging alles zu schnell mit dem Sommer, der seine voreiligen Versprechen spätestens zu Beginn der Ferien brechen würde.
    Theo fing sein Spiegelbild auf, als er das Zimmer verlassen wollte, und griff nach dem Hemd. Zu dünn, sein Körper. Zu weiß. Gleich würde Lucky aufkreuzen, dem ein halber Tag Arbeit im Freien mit nacktem Oberkörper schon genügte, ein gebräunter Prachtkerl zu sein.
    Theo stieg die schmale Holztreppe hinunter, die vom Giebelzimmer zum ersten Stock führte. Seine Mutter saß im Schlafzimmer auf ihrer Seite des Ehebettes und hielt eine lila Bluse in der Hand.
    »Ob ich die noch tragen kann?«, fragte sie.
    Theo kniff die Augen zusammen. Er hatte schon als Kind darunter gelitten, Farben zu grell und überdeutlich wahrzunehmen.
    »Warum nicht?«, fragte er.
    »Vielleicht zu jugendlich«, sagte seine Mutter.
    Theo stöhnte. »Du bist doch noch jung«, sagte er. War es wirklich die Aufgabe eines siebzehnjährigen Sohnes, das zu beteuern?
    »Zieh deine Sonnenbrille auf.«
    »Um dich nicht im harten Licht zu sehen?« Theo grinste.
    »Du hast doch vor, aus dem Haus zu gehen. Draußen ist grelles Sonnenlicht«, sagte seine Mutter.
    Theo griff nach der schwarzen Ray Ban in seiner Jeanstasche. Kaum zu glauben, dass dieses nette Teil von seinem Vater getragen worden war. Allerdings schon fünfundzwanzig Jahre her. Heute war sein Vater der beige Typ. War doch gut, wenn Ma das mit Lila auflockerte.
    Lucky fuhr in dem
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