Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verführerische Unschuld

Verführerische Unschuld

Titel: Verführerische Unschuld
Autoren: CHRISTINE MERRILL
Vom Netzwerk:
verbarg Esme sich, so gut es ging, hinter der Balkoneinfassung. Das dort drüben war der skandalträchtige Captain St John Radwell, der wohl gerade aus Spanien zurückgekehrt war. Man munkelte, er sei einst wegen einer seiner unglückseligen Affären geflohen und habe sein Offizierspatent mit gestohlenem Familienschmuck bezahlt. Falls das die Wahrheit war, hatte allerdings nicht sein Bruder, der Duke of Haughleigh, die Gerüchte verbreitet, denn der leugnete inzwischen, einen Bruder zu haben.
    Captain Radwells skandalöses Betragen gehörte zu den Themen, über die ihr Vater sich regelmäßig in Rage redete. Er hatte sie ausdrücklich vor ihm gewarnt. Und nun stand dieser Teufel dort in Person und schickte am helllichten Tage seine Mätresse davon, und mit einer Lautstärke, dass es die ganze ehrbare Nachbarschaft hören konnte.
    Unfähig, den Blick abzuwenden, lugte Esme über die Brüstung.
    Als die wütende Frau drinnen schwieg, antwortete Radwell: „Dann verkauf das Armband oder die Ohrringe. Sie waren teuer genug und sollten dich bequem über Wasser halten, bis du einen Narren findest, der meinen Platz einnimmt. Wir sind fertig miteinander.“
    Von drinnen drang wütendes Schluchzen herüber, dann knallten Türen.
    Ganz ihre eigenen Sorgen vergessend, lächelte Esme boshaft in sich hinein. Wie schön zu sehen, dass zumindest eine der irrationalen Schimpfkanonaden ihres Vaters auf Tatsachen gründete.
    Unvermittelt drehte Radwell sich um und erwischte sie dabei, wie sie ihn anstarrte.
    Er war nicht nur ein Teufel. Er war ein gefallener Erzengel! Sein Haar leuchtete golden im Sonnenlicht und fiel ihm in Wellen über die Schläfen. Er hatte eine gerade Nase und ein einnehmendes amüsiertes Lächeln. Zwar konnte sie die Farbe seiner Augen auf diese Entfernung nicht erkennen, doch vermutlich waren sie blau, das würde zu seinem Typ passen. Sein hervorragend geschnittenes Jackett und die eng anliegenden Hosen betonten seinen muskulösen Körper. Wie er da an der Balkontür seines Apartments lehnte, bot er den Anblick vollendeter männlicher Schönheit. Esme stockte der Atem.
    Unversehens sah er ihr in die Augen und hielt ihren Blick einen Moment fest, ehe er sich dem Rest ihrer Erscheinung widmete. Er begutachtete sie ausgiebig, und als er schließlich lächelte, spürte sie, wie der Sturm in ihrem Innern zu einer Brise abflaute.
    Ihr Gegenüber tippte sich an die Nase und nickte bedeutungsvoll. Was meinte er nur? Gewiss war es keine scheltende Geste, die ihrer Neugier galt, nein, er wollte auf etwas hinweisen. Verwirrt schüttelte sie den Kopf.
    Mit pantomimischer Geste zog er ein Taschentuch hervor, schlug es auseinander und wischte sich damit übers Gesicht, dann deutete er auf sie selbst.
    Hastig hob sie ihre Hände an die Wangen, rieb und betrachtete dann ihre Handflächen – Ruß! Nicht nur, dass sie ihre Nachbarn belauschte, nein, sie war auch noch dazu schmutzig wie ein Schornsteinfeger!
    Als er sah, dass sie ihn verstanden hatte, winkte er triumphierend mit dem Taschentuch, verneigte sich breit lächelnd und verschwand in seiner Wohnung, nachdem er die Balkontüren hinter sich zugezogen hatte.
    Mit klopfendem Herzen ging sie in ihr Zimmer zurück und schloss ebenfalls die Tür. Oh, dieser grässliche Mensch! Erst machte er eine solche unziemliche Szene, und dann neckte er sie auch noch wegen ihrer ungehörigen Neugier. Es schien ihn nicht im Mindesten zu irritieren, dass sie ihn in einer so peinlichen Situation erwischt hatte, beziehungsweise umgekehrt er sie.
    Wie herrlich musste es sein, sich so frei zu fühlen, kein Jota um die Gesellschaft zu geben und zu tun, was man wollte.
    Ehe sie sich noch wirklich darüber im Klaren war, formte sich ein Plan in ihrem Kopf. Ein verwegener Plan, und viel anstößiger als alles, was ihr je in den Sinn gekommen war. Da ihr Vater behauptete, sie sei schamlos, sollte es auch die ganze Welt erfahren. Es geschähe ihm nur recht, und der Heirat mit dem Earl würde es gewiss einen Riegel vorschieben.
    Ja, sie würde es tun! Am einfachsten wäre ihr Plan durchzuführen, wenn sie die Nacht abwartete, und dann, in ein paar Stunden, würde sie, mit Hilfe des skandalösen Captain Radwell, von ihrem Vater, diesem Haus und dem Earl befreit sein.

2. KAPITEL

    „Nein, danke, Toby. Ich brauche dich heute nicht mehr. Es wird wieder einmal ein ruhiger Abend daheim vor dem Kamin werden. Vielleicht ein Brandy vor dem Schlafengehen. Lass nur, ich hol ihn mir selbst. Nach unserer Zeit in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher