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Verführerische Unschuld

Verführerische Unschuld

Titel: Verführerische Unschuld
Autoren: CHRISTINE MERRILL
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Toby die Tür und verkündete: „Miss Esme Canville.“
    „Wer?“ Das war unhöflich, aber es war ihm herausgerutscht. Der Name sagte ihm überhaupt nichts, erinnerte ihn nicht einmal im Entferntesten an die eine oder andere diskrete Witwe oder fehlgeleitete Gattin, die er vielleicht auf seiner Schwelle erwartet hätte.
    Als die Dame eintrat und höflich knickste, sprang er, seine Verwirrung rasch verbergend, auf und bot ihr einen Stuhl an. Es war der neugierige kleine Fratz von gegenüber! „Sie mögen verzeihen, Miss Canville, aber mir scheint, ich bin nicht ganz im Bilde. Toby?“ Er hätte den Diener lieber im Zimmer behalten, auch wenn dessen Anwesenheit die unschickliche Situation nicht völlig entschärfen konnte. Aber Toby hatte nur den Brandy abgestellt und sich sofort in die Küche im unteren Stockwerk zurückgezogen.
    „Nein, bitte, Captain Radwell, es wäre mir lieb, wenn unser Gespräch unter vier Augen stattfinden könnte.“
    Lieber Himmel, er konnte nicht mit ihr allein bleiben! Aber wenn er sie ihr Sprüchlein aufsagen ließ, wurde er sie vielleicht rasch wieder los, ehe jemand herausbekam, wo sie sich herumtrieb. „Nun gut. Zugegeben, ich bin schon ein wenig neugierig zu erfahren, was eine vornehme junge Dame zu dieser Stunde zu mir führt. Soweit ich weiß, wurden wir einander nie vorgestellt.“
    „Nein.“ Zumindest hatte sie den Anstand, verlegen zu werden. „Wir kennen uns nicht. Obwohl, heute Vormittag … ich konnte nicht vermeiden zu lauschen … Und ich kenne natürlich Ihren Ruf, Captain Radwell.“
    „Vermutlich sollte ich nun sagen, dass ich diesen Ruf nicht verdiene, aber leider, leider habe ich das meiste, das man mir nachsagt, auch getan. Nun, vielleicht habe ich sogar noch Schlimmeres getan und wurde nur nicht erwischt.“ Beinahe hätte er gelächelt, doch dann fiel ihm ein, dass es keinen Grund gab, sich auch noch damit zu brüsten. „Ihnen ist klar, Miss Canville, dass Sie sich sehr gefährden, indem Sie unbegleitet herkamen?“
    Entschlossen hob sie ein wenig das Kinn und sah ihm fest in die Augen. „Ja, das wäre so, wenn ich etwas um meinen Ruf gäbe. Jedoch zwingen mich die Umstände zu drastischen Schritten, Captain Radwell. Ich befinde mich in einer schwierigen Lage und hoffe, dass Sie mir vielleicht helfen könnten.“
    „Ihnen helfen?“ Er richtete sich auf. „Warum Sie gerade mich um Beistand bitten, ist mir schleierhaft. Aber als Offizier und …“, er räusperte sich ob der ungewohnten Vorstellung, „äh … Ehrenmann werde ich gewiss alles in meiner Macht Stehende tun, Ihnen zu helfen.“
    Ihre Kühnheit währte nur kurz. Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Retikül und knetete es nervös in den Händen. „Nun, ja. Ich erhoffe in gewisser Weise Ihren Beistand, aber nicht unbedingt von dem Offizier und Ehrenmann. Beschützer wäre, glaube ich, eher der Begriff.“ Sie sah ihm hoffnungsvoll in die Augen. „Wenn Sie sich in der Lage sähen, mir Ihren Schutz anzubieten?“
    Zuerst hatte er die abwegige Vorstellung, sie erwarte von ihm, dass er sie mit seinem Säbel gegen einen Feind verteidigen sollte. Er als Beschützer? Wovor musste sie beschützt werden?
    Beschützer. Er als ihr unehrenhafter Beschützer?
    Er sprang von seinem Stuhl hoch, um so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die junge Dame zu bringen. „Also nein! Sie meinen doch nicht … Glauben Sie etwa, ich würde …“
    „Ich konnte Ihre Auseinandersetzung mit Ihrer …“, sie suchte ein passendes Wort, „… Mätresse kaum überhören. Ganz fraglos brachen sie mit ihr. Also nahm ich an, dass diese Stellung nun möglicherweise frei wäre …“
    „Stellung? Um Himmels willen! Sie verdingen sich doch nicht als Gouvernante!“
    „Das weiß ich natürlich. Ich könnte nicht ohne Wissen meines Vaters als Gouvernante arbeiten. Nicht einmal die nötigen Zeugnisse könnte ich beibringen“, erklärte sie, als wäre das ganz offensichtlich.
    „Ich hege die größten Zweifel, dass Sie Zeugnisse für die nun von Ihnen gewünschte Stellung vorlegen können.“
    „Braucht man dafür Zeugnisse?“ Die Vorstellung schien sie stärker zu beunruhigen als ihre momentane Situation, die Radwell allerdings als beunruhigend genug für zwei empfand.
    „An sich nicht. Aber ich möchte doch hoffen, dass Ihnen frühere Erfahrungen fehlen.“ Er ließ sich neben ihr auf einem Stuhl nieder und sah ihr ernst ins Gesicht. „Ich meine, Miss Canville …“
    „Sagen Sie doch bitte Esme.“
    „Miss
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