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Verführerische Unschuld

Verführerische Unschuld

Titel: Verführerische Unschuld
Autoren: CHRISTINE MERRILL
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Canville“, fuhr er entschieden fort, „haben Sie wirklich eine genaue Vorstellung davon, welche Pflichten Ihnen in einer solchen Stellung obliegen?“
    „Genau?“ Sie errötete. „Nein, nicht genau. Ist das hinderlich?“
    „Dass eine junge Dame wie Sie das nicht weiß? Nein. Bestimmt nicht. Wenn Sie es wüssten, wäre ich sehr entsetzt.“
    Sie hob ratlos die Hände. „Eigentlich hatte ich gehofft, man könnte so etwas durch Erfahrung lernen. Habe ich etwas an mir, das Sie vermuten lässt, ich wäre zu der erforderlichen Tätigkeit nicht in der Lage?“
    Es war, als nähme er sie erst jetzt richtig wahr. Ihr reizendes Gesicht mit den vollen weichen Lippen war bleich, ließ aber den normalerweise rosigen Teint erahnen. Ihren Umhang hatte sie abgelegt und saß in einem hochgeschlossenen, ziemlich scheußlichen Kleid vor ihm, das aber dennoch verriet, dass seine Trägerin einen hübschen Busen besaß. Wie es sich wohl anfühlen mochte, die Hände in ihrem gelöstes Blondhaar zu vergraben, wenn ihr Mund sich dem seinen näherte …
    Rasch stand er auf und entfernte sich von ihr. „Nein. Nein. Sie wären sicherlich geeignet, nichts an Ihnen spricht dagegen. Aber darum geht es nicht. Wie ich darüber denke, sollte Sie nicht interessieren, da ich ein niederträchtiger, wenig vertrauenswürdiger Bursche bin und ein zartes Lämmchen wie Sie mit einem Biss verspeisen könnte, ohne mir ein Gewissen daraus zu machen.“
    Esme widersprach: „Und genau das glaube ich Ihnen nicht. Ich sah heute, wie Sie sich mit der Dame hier stritten. Deren Verhalten hätte einen weniger edlen Mann zu Gewalttaten gereizt, Sie jedoch waren ein Muster an Vernunft. Auch machten Sie klar, dass Sie ihr die nötigen Mittel zum Lebensunterhalt ließen, als Sie sie fortschickten.“ Sie lächelte. „Und sie benahm sich sehr übertrieben, möchte ich hinzufügen. Wenn Sie meiner später überdrüssig wären, müssten Sie nicht fürchten, dass ich Ihnen derart undamenhafte Szenen mache.“
    „Sie fortschicken? Meine Güte! Darüber brauchen Sie sich nicht zu sorgen, denn ich habe nicht vor, Sie anzustellen.“ Er machte mit den Händen eine scheuchende Geste. „Los, laufen Sie heim zu Ihrem Vater, ehe jemand merkt, dass Sie fort waren. Dann säßen wir nämlich beide schön in der Tinte.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, unmöglich, ich gehe nicht zurück, was Sie auch sagen!“
    „Dann trage ich Sie auf meinen eigenen Armen heim.“
    Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Wagen Sie es nicht! Sonst erzähle ich meinem Vater, wo ich war, und füge ein paar farbige, wenn auch unwahre Einzelheiten hinzu. Dann sitzen nämlich Sie ganz allein in der Tinte, Captain Radwell. Mein Leben kann sowieso nicht elender werden, als es schon ist, aber Sie müssten damit rechnen, mich am Hals zu haben, und zwar, wie die Gesellschaft es verlangt, durch ein wesentlich dauerhafteres Band als das von mir vorgeschlagene.“
    Verflixt, sie hatte recht, und es war noch schlimmer, als sie es ausmalte, denn wenn das hier bekannt wurde, spielte es keine Rolle mehr, ob er sie heiratete oder nicht, sein Titel wäre futsch, und das wäre noch seine kleinste Sorge. Er konnte sich lebhaft das Gesicht seines Bruders vorstellen, wenn er in den Schoß der Familie zurückkehren wollte – mit leeren Taschen und endgültig ruiniertem Ruf, beim Regenten in Ungnade und mit Esme Canvilles wütendem Papa auf den Fersen – und behauptete, die Sache sei nur ein großes Missverständnis. „Sie sagen also, ich könnte zu einer Heirat mit Ihnen gezwungen werden, wenn ich Sie heimbringe; wenn ich Sie jedoch hierbehalte, darf ich mit Ihnen nach Belieben verfahren, ohne dass Sie den Vorteil einer Eheschließung genießen möchten?“ Einen Moment fühlte er sich wirklich versucht, dann schüttelte er den Kopf. Zwar besaß sie beträchtliche Reize, aber der Preis war ihm denn doch zu hoch.
    „Natürlich würde ich die gleiche Abgleichung erwarten wie die Frau, die Sie heute aus Ihrem Dienst entließen. Vielleicht nicht ganz so viel, da ich so unerfahren bin“, schränkte sie ein.
    „Nein.“
    „Ich esse nicht viel, und ich mache mir nicht viel aus Kleidern und Schmuck. Und ich bin auch mit wenig Raum glücklich. Bestimmt bin ich viel weniger kostspielig als Ihre vorherige Mätresse.“
    „Nein!“
    „Könnten Sie mich denn wenigstens einem Ihrer Freunde vorstellen? Jemandem mit ähnlicher Gemütsart, der gerade eine Gefährtin sucht?“
    „Jetzt wollen Sie mich auch noch zum
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