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Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Titel: Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
Autoren: Veronika Aretz
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sich drei Mal um seine eigene Achse gedreht hat. „Wir haben schon oft versucht, die Halle mit Bildern freundlicher zu gestalten, aber sie wurden beschmiert oder zerstört. Selbst der Fußboden musste schon behandelt werden, um Farbe zu beseitigen. Das kostet viel Geld.“
    Langsam blase ich die Luft aus. Ich hatte den Atem angehalten, fast wäre ich daran erstickt. Steinkaul schöpft keinerlei Verdacht – oder verstellt er sich nur? Ich muss suppenhöllisch aufpassen!
    „Warum setzen Sie nicht eine Schülerpolizei ein?“, frage ich schnell, um ihn auf ein anderes Thema zu lenken. „In Amerika sind sie damit sehr erfolgreich.“
    Steinkaul sieht mich überrascht an.
    „Das hab ich gelesen“, füge ich hinzu – was natürlich nicht stimmt. Ich erinnere mich noch gut an das Projekt, sehr gut sogar. Ich selbst hatte bei einer Schülerpolizei an einer Highschool mitgeholfen, bis ein Artikel mit Bildern und Namen in einer Zeitung erschien. Danach musste ich wieder einmal meine sieben Sachen packen und abtauchen.
    „Hm, eine gute Idee!“, sagt Steinkaul. „Und du wirst dabei sicher eine große Hilfe sein.“
    Das habe ich nun davon! Kaum reiche ich jemandem den kleinen Finger – schwups, krallt er sich die ganze Flosse. In ein solches Projekt einzusteigen, scheint mir kein guter Anfang zu sein für mein Zwei-Jahres-Leben in Birkenbleich. Habe ich nicht schon genug damit zu tun, den Kristall zu hüten und mich vor meinen Feinden zu verstecken?
    „Nun, bist du nervös?“
    Ich schrecke hoch. „Nein“, antworte ich wahrheitsgemäß (9)

    „Das brauchst du auch nicht.“ Steinkaul hält an und klopft an eine Tür. An der Wand ist ein kleines Schild angebracht: „L. Dulack – 8b“ „Gibt es Probleme, komm einfach zu mir.“ Er drückt die Türklinke herunter.
    „Vermutlich werde ich Sie dann unter einem Berg von Büchern finden?“, frage ich. Ich kann es mir einfach nicht verkneifen, meinen Gesprächspartner nicht doch wenigstens ein einziges Mal durch die Hühnersuppe zu ziehen.
    Steinkaul sieht mich belustigt an. „Das könnte allerdings sein.“
    „Haben Sie schon ,In the Night of the World‘ von John Thommsen gelesen? Das Buch gibt einige Forschungsansätze der kosmischen Stellungen wieder, die leider nur von wenigen Astronomen vertreten werden. Aber sie treffen die Wirklichkeit immerhin annähernd.“
    Steinkaul steht der Mund noch offen, als schon längst das „Herein!“ ertönt ist. Ich marschiere an ihm vorbei. Natürlich musste ich ihn auf das Buch hinweisen, denn es ist eines der besten Bücher, die ich damals in Amerika gelesen habe. Niemand hat die Weltinseltheorie der Erde besser dementiert als Thommsen. Interessiert der Schulleiter sich für Astronomie, muss er dieses Buch unbedingt kennen lernen.
    „Oh, Dr. Steinkaul!“, sagt ein Mann mit schlaffen Wangen und glasigem Blick. Sein Rücken ist so rund, als trüge er die komplette Unlust der Schüler in Steinen abgemessen auf den Schultern.
    „Ja … ähm … Kollege Mahlhofer …“ Steinkaul sieht erst zu mir und dann zur Klasse. „Ich bringe euch eine neue Schülerin, sie ist erst vor ein paar Tagen in unsere Stadt gezogen. Bitte fresst sie nicht auf, die Außerirdischen … ähem … ich meine, die Auswärtigen wollen nicht gleich in jedermanns Rachen landen … ähem …“
    Er bricht ab. Wenigstens bin ich es diesmal nicht, die tosendes Gelächter erntet. Weil der Schulleiter höchstpersönlich vor der Klasse steht, gackert es allerdings nur sehr leise aus einigen Ecken.
    „Danke schön, Dr. Steinkaul“, sagt Mahlhofer erschrocken. Er reißt seine wässrigen Augen auf, als sei gerade das Monster aus der Halle hereingetrampelt. Vielleicht macht ihn aber auch nur Steinkauls Bemerkung stutzig, so, als könne er sich einen Reim darauf machen. Ich nehme mir fest vor, diesem Mahlhofer später genauer unter die Fingernägel zu schauen. So dummdöselig wie der vor der Klasse steht, wäre das die perfekte Tarnung für einen Feind.
    „Und – ja, unsere Nadine ist erst zwölf. Es wäre schön, wenn sie trotzdem ein paar Freunde unter euch findet.“
    Na super! Das ist eine Information, die immer dann auftaucht, wenn ich in eine höhere Klasse komme. Alle Schüler glotzen mich überrascht an. Es ist falsch und gleichzeitig auch wahr. Ich bin wirklich zwölf, ich fühle mich wie zwölf – und das seit 37 Jahren. Ich sehe, wie Mahlhofer wieder seine Glubschaugen öffnet, höre auch die geflüsterten Bemerkungen der Klassenkameraden:
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