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Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Titel: Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
Autoren: Veronika Aretz
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Nicht einmal von meinen Eltern habe ich mich richtig verabschieden können. Plötzlich stand ich auf der Erde, nur von einer Magd begleitet, die von den Gewohnheiten der Menschen genauso viel Ahnung hatte wie ein Regenwurm vom Holzhacken oder ein Roboter vom Po abwischen. Und da teilt er mir mit, dass ich zu Schülern in die sechste Klasse gesteckt werden soll, die noch Fangen spielen?
    „Schau mich nicht so an, als wolltest du mich auf der Stelle auffressen“, sagt Steinkaul freundlich. „Ich schlage vor, morgen legst du mir deine Zeugnisse der letzten Schuljahre vor. Inzwischen bringen wir dich in der 8b unter, Kollege Dulack hat ein Händchen für ungewöhnliche Fälle. Roswitha, bei wem haben sie gerade Unterricht?“
    Die Sekretärin schaut in einer Liste nach. „Geschichte bei Herrn Mahlhofer.“
    Steinkaul zieht mich sanft am Ärmel. „Ich bringe dich hin.“
    In Anbetracht der Tatsache, dass Steinkaul mein Schulleiter ist und ich vermutlich noch öfter mit ihm zu tun haben werde, (7) verkneife ich mir eine Antwort. Leise grummelnd folge ich ihm durch die Tür.

    Das letzte Zeugnis kann ich natürlich nicht vorlegen, denn dann müsste er mich gleich in die elfte Klasse stecken. Stell dir mal sein Gesicht vor! Die Augen würden ihm rauskullern und über seine lustige Nase hüpfen. Vielleicht kann ich eines meiner älteren Zeugnisse fälschen, aber euer Papier ist ja so was von empfindlich, das schnallt er sofort, schließlich ist er ja nicht von vorgestern! (8) Zu dumm, dass er mit dem uralten Fetzen vom Schulamt nicht zufrieden ist.

    „Ziemlich ungemütliches Wetter da draußen, was?“, sagt Steinkaul mit einem Blick auf meine durchnässte Jacke.
    Nicht so schlimm wie die Wirbelstürme, die damals in den USA gewütet haben, denke ich. Aber die Flecken auf meiner Schultasche sind auch nicht ohne und bei jedem Schritt quillt schmutziges Wasser aus meinen Schuhen. Draußen peitscht inzwischen Regen gegen die Scheiben, es hört sich an, als ginge ein Kometenhagel ab. So dunkel und trostlos wie es dort aussieht, so trüb ist es auch hier in der Halle: Nicht ein einziges Bild schmückt die grauen Wände und die Fenster entlang der breiten Treppe scheinen auch schon bessere Tage gesehen zu haben.
    „Draußen sieht es nicht anders aus als hier drinnen“, bemerke ich kühl. Der Stein in meiner Tasche drückt, so, als ob er mich an seine Existenz erinnern wolle, als suche er meine Nähe und Aufmerksamkeit. Automatisch umklammere ich ihn. Was könnte ich nicht alles verändern, wenn ich es nur dürfte!
    Dunkelheit zieht auf, lautlos und schnell. Die grauen Wände werden schwarz, der Boden glänzt plötzlich wie eine ölige Suppe und die Decke scheint auf uns herabzufallen. Helle, scharfe Zähne blitzen auf, muffiger Wind fegt aus der Tiefe hervor und ein markerschütterndes Grollen dröhnt in meinen Ohren. Für einen Moment glaube ich, im Rachen eines gigantischen Monsters zu stecken.
    Verflixte brodelnde Hühnersuppe, hier scheint die Hölle sich selbst zu verschlingen! Meine Feinde haben mich entdeckt, mein jahrelanges Versteckspiel hat nun ein Ende! Trotz aller Vorsicht haben sie mich gefunden – ganz sicher stehen sie in einiger Entfernung und sehen grinsend zu, wie ich von diesem Monster bei lebendigem Leib zermalmt werde. Ich muss den Kristall benutzen! Es geht nicht anders, bevor … Hoppla, wieso halte ich ihn überhaupt so fest umklammert?
    Erschrocken löse ich meine verkrampften Finger von meinem kleinen Freund. Die Dunkelheit löst sich schlagartig auf und vor mir liegt wieder die düstere Eingangshalle. Im Treppenhaus klappern ein paar Fenster im Wind.
    Auweia, beinahe wäre das schiefgegangen! Ich habe mir gerade selbst eine Bananenschale vor die Füße gelegt – wenn du verstehst, was ich meine. Desillophobie nennt man das in meiner Heimat, wenn man seine schlimmsten Ängste zur Wirklichkeit macht. Der Stein in meiner Tasche unterstützt mich dabei – obwohl ich meinen kleinen Freund gar nicht benutzen darf. Seine Energie kann den Feinden meinen Standort preisgeben und dann – dann bin ich verloren (hinüber, erledigt, alle, platt, k.o. – oder wie es sonst in deiner Sprache heißt)!
    Steinkaul schaut sich kopfschüttelnd um. Wahrscheinlich glaubt er, noch immer mit den Gedanken in seinen astronomischen Büchern zu stecken. Nun muss er sich selbst davon überzeugen, dass er diesen Monster-Rachen-Schlund nur fantasiert hat. „Hier sieht es wirklich düster aus …“, meint er, nachdem er
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