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Verbrannte Träume.

Verbrannte Träume.

Titel: Verbrannte Träume.
Autoren: Hammesfahr Petra
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und so lange es mir Spaß macht und nicht weh tut. Einer von den Ärzten hat gesagt, es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte mein Leben lang nichts anderes mehr tun können als sitzen. Im Rollstuhl. Wenn einem das gesagt wird, mit dem Hinweis auf das unwahrscheinliche Glück, welches man hatte, man kann sich das nicht vorstellen. Ich meine, ich kann mir vorstellen, daß ich in einem Rollstuhl sitze. Ich kann mir ja auch vorstellen, daß ich in einem Sessel sitze. Aber daß ich nicht mehr aufstehen kann, keine Treppe mehr hinauf oder hinunter komme, nicht mehr allein aufs Klo gehen, das will ich mir gar nicht vorstellen. Mein Gott, ich bin im Januar einundzwanzig geworden! Daß ich unwahrscheinliches Glück hatte, weiß ich selbst. Die dritte Kugel hat die Wirbelsäule geritzt. Nur geritzt, wie mit einem Messerchen über den Knochen gefahren. Der Arzt hat mir das so erklärt. Da konnte man nicht einmal mehr sagen, sie ist um Haaresbreite vorbeigegangen. Das hat die erste getan, um Haaresbreite an meinem Kopf vorbei. Er hat zuerst auf meinen Kopf geschossen. Das muß ein Reflex gewesen sein, daß ich den Kopf etwas zur Seite geworfen oder mich geduckt habe. Ich weiß es nicht. Vielleicht hat er nicht richtig gezielt. Die zweite Kugel ist glatt durch die Schulter gegangen, sogar durch den Knochen. Trotzdem werde ich eine scheußliche Narbe behalten, zwei Narben. Die Wunde auf der Schulter ist klein, vorne die ist viel größer. Vielleicht kann man später was machen. Mit plastischer Chirurgie. Sonst kann ich mich ja nie mehr im Bikini sehen lassen. Ich meine in einem schicken Badeanzug. Bikini kann ich vergessen, wegen der Narbe am Bauch. Die ist noch größer als die vorne an der Schulter. Die Austrittswunden sind immer größer. Mein Bauch sieht aus, als wäre ich damit in eine Hackmaschine geraten. Der Arzt meint zwar, es sei alles noch frisch, es werde mit der Zeit verblassen. Man wird es trotzdem immer sehen können. Nie mehr einen Bikini. Darüber habe ich gestern mit meiner Mutter gesprochen. Daß ich für den Sommer ein paar Badeanzüge brauche mit extrabreiten Trägern. Meine Mutter lachte und meinte, ich sei fast wieder die Alte, wenn ich über so etwas nachdenken könne. Sie irrt sich. Natürlich denke ich auch über so etwas nach. Ich nenne es: die Kleinigkeiten am Rande. Sich damit zu beschäftigen, ist angenehmer als die Beschäftigung mit dem Rest. Ich muß doch wieder bei Null anfangen. Und vor einem halben Jahr dachte ich, ich hätte es geschafft, alles erreicht, was ich erreichen wollte. Nicht absolut alles, aber der Rest schien eine Kleinigkeit zu sein. Und dann passierte diese Sache. Diese Sache, wie sich das anhört. So vage und harmlos. Aber harmlos war es wahrhaftig nicht. Ich hatte schon einmal damit angefangen, es aufzuschreiben. Am Computer in der Kanzlei. Dorthin hatte ich mich verkrochen. Getippt wie eine Wilde, alles auf die Festplatte gehämmert, was ich wußte. Zu dem Zeitpunkt wußte ich schon eine Menge, nur das Wichtigste noch nicht. Ich wollte eine Diskette an die Polizei schicken und verschwinden. Untertauchen für eine Weile, wie im Film. Weil ich dachte, daß ich sonst den Montag nicht mehr erlebte. Hätte ich auch fast nicht. Da hatte ich sogar geschrieben: ›Ich wäre erleichtert, wenn er jetzt zur Tür hereinkäme, wenn es vorbei wäre. Ich würde ihn nur bitten, es kurz und schmerzlos zu machen‹. So ein Blödsinn. Aber ich war mit den Nerven fix und fertig. Inzwischen geht’s wieder. Es wird noch eine Weile dauern, ehe ich mich völlig erholt habe, körperlich. Und seelisch auch. Gestern habe ich gelesen. Meine Mutter hatte mir ein paar Illustrierte mitgebracht. In einer davon war eine private Geschichte. Ein persönliches Schicksal, nur Tatsachen. Da dachte ich, das könnte ich auch machen. Nicht für die Polizei, für mich. Vielleicht hilft es mir, alles besser zu verarbeiten, den Schock. Und die Angst. Diese wahnsinnige Angst. Ich habe immer noch Alpträume. Vielleicht hilft es später sogar anderen. Leuten, die jetzt noch denken, ihr Leben sei langweilig und kleinkariert. Die es gerne größer hätten, flotter, pfiffiger, flippiger, aufregender. Denen es imponiert, wenn andere alles haben oder können. Die vor Neid die Wände hochgehen, die auch ein dickes Auto fahren wollen, eine tolle Wohnung haben und Urlaub auf den Malediven machen. Man muß vorsichtig sein mit solchen Träumen. Manche lösen sich einfach in Rauch auf. Und meine Großmutter sagte früher:
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