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Verbrannte Träume.

Verbrannte Träume.

Titel: Verbrannte Träume.
Autoren: Hammesfahr Petra
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Dummheit nicht vertragen konnte und weil ich ihm wie ein dummes Huhn vor der Nase herumgetanzt war. Nun wollte ich ihm beweisen, daß ich kein dummes Huhn war. Nur bot sich dazu erst einmal keine Gelegenheit. Zwei Jahre später verlor ich Ulli aus den Augen. Er war mit der Schule fertig, machte eine Lehre in einer Eisenwaren-handlung, war von morgens bis abends in der Stadt. Am Wochenende bekam man ihn auch kaum zu Gesicht. Da war er mit seinem Moped unterwegs. Nach seiner Lehre mußte er zum Bund, war in Norddeutschland stationiert, kam auch im Urlaub nicht heim. Seine Tante litt sehr darunter, manchmal hörte ich, wie sie sich bei meiner Mutter beschwerte. Nicht über Ulli, über seine Vorgesetzten, die ihn schikanierten, weil es ihnen nicht gefiel, daß ein junger Mensch selbständig dachte. Ulli schrieb ihr regelmäßig, er schien immerzu in Schwierigkeiten. Mein Vater freute sich darüber.
    »Das schadet ihm nichts«, meinte er häufig, wenn meine Mutter erzählte, was sie an Neuigkeiten von Ullis Tante gehört hatte.
    »Ein bißchen Drill und Disziplin hat noch keinem geschadet. Die werden ihm seine Faxen schon austreiben. Die haben bisher noch jeden kleingekriegt.«
    Ich fand es gemein, wenn mein Vater so etwas sagte, und hoffte inständig, daß Ulli sich nicht kleinkriegen ließ. Das tat er auch nicht. Wir erfuhren regelmäßig von seiner Tante, wie es ihm ging und was er gerade machte. Daß er sich nach der Bundeswehrzeit eine Wohnung in Köln genommen hatte und vorübergehend im Kaufhof beschäftigt war, wo es ihm aber nicht gefiel. Er war nicht der Typ, der sich von anderen vorschreiben ließ, wie er seine Arbeit machen sollte. Daß er ins Bergische umgezogen war, der Ort hieß Biesfeld, ein kleines Dorf wie unseres, aber dort fühlte er sich wohl. Dort kannte ihn niemand, also wurde er auch von keinem belästigt oder mit Mißgunst verfolgt. Daß er sich einen schicken Wagen gekauft hatte, erzählte Ullis Tante, daß er sich selbständig gemacht hatte. Sie war sehr stolz auf ihn. Nach seinem Umzug ins Bergische besuchte er sie alle paar Wochen. Wenn er da gewesen war, saß seine Tante drei Tage lang in unserer Küche und wurde nicht müde zu erzählen, wie tüchtig er war, wie intelligent, wie erfolgreich. Was er sich alles leisten konnte, die schöne Wohnung, das teure Auto, zweimal jährlich Urlaub. Und Ulli flog nicht nach Mallorca, sondern nach Australien oder Florida, auf die Malediven oder nach Jamaika. Mein Vater sagte:
    »Der werden eines Tages noch die Augen aus dem Kopf fallen. Selbständig gemacht! Womit denn? Hat er sich einen Bauchladen für Nägel und Schrauben gekauft? Mir kann kein Mensch erzählen, daß der sein Geld mit ehrlicher Arbeit verdient. Davon könnte er sich so was nicht leisten. Entweder, er lebt auf Pump, oder, da kommt irgendwann noch ein dicker Hund nach.«
    Manchmal hatte ich das Gefühl, daß auch bei meinem Vater nur eine gehörige Portion Mißgunst im Spiel war. Mein Vater hat sein Geld immer nur mit ›ehrlicher‹ Arbeit verdient, und weit gebracht hat er es damit nicht. Reihenhäuschen und Gebrauchtwagen, Urlaub im eigenen Garten, mit aufgerollten Hemdsärmeln und Schweiß auf der Stirn. Während meine Mutter in der Küche die Marmelade einkochte und die Gefriertruhe im Keller mit Spinat füllte. So wollte ich nicht leben. Ich hatte schon damals das Gefühl, daß nur Menschen wie Ulli es schafften, aus dem Einerlei auszubrechen. Weil sie sich nicht darum kümmern, was andere sagen. Weil sie ein Ziel haben. Und weil sie genau wissen, auf welchem Weg man dahin kommt. Ich hatte nur Wolkenschlösser. Zwei Leben, eins, das mir vorschwebte, schön bunt und schillernd, aufregend und abwechslungsreich, und eins, das ich leben mußte. Alles so kleinkariert und vorprogrammiert. Schule, Ausbildung, ein paar Jahre im Beruf, ein oder zwei Freunde. Gleich den ersten zu nehmen, war schlecht, da hatte man vielleicht später das Gefühl, etwas versäumt zu haben. Aber mehr als zwei war auch nicht anzuraten, es wurde viel geredet im Dorf. Und hatte man erst einen schlechten Ruf, wurde man den nie wieder los. Siehe Ulli Meuser. Es waren eine Menge wilder Geschichten über ihn im Umlauf. Sie wurden nur hinter vorgehaltener Hand erzählt und mit der Bitte um absolute Verschwiegenheit, an die sich natürlich kein Mensch hielt. Im Gegenteil, jeder erfand noch etwas dazu. An eine Sache erinnere ich mich besonders gut. Ulli war von ein paar jungen Leuten aus dem Dorf in einer Kölner
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