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Verbrannte Träume.

Verbrannte Träume.

Titel: Verbrannte Träume.
Autoren: Hammesfahr Petra
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Rauch ist, da ist auch Feuer.«
    Ist nur schade, daß ich nicht alles aufschreiben kann. Beim Schluß muß ich passen. Da war ich bewußtlos. Ich weiß von anderen, daß der Notarzt eine Weile an mir gearbeitet hat, bevor sie mich transportieren konnten. Bluttransfusionen, drei oder vier Dosen. Und so, wie sie es mir in den Arm kippten, lief es am Bauch wieder raus. Sie dachten, ich würde es nicht schaffen. Weil die Kugel, die mich im Rücken getroffen hat und am Bauch wieder austrat, auch im Bauch großen Schaden anrichtete. Darüber denke ich lieber nicht nach. Hört sich nicht gut an, zerfetzte Därme. Jetzt fehlen mir ein paar Meter. Und Kinder werde ich nie haben. Nie! Das mußten sie auch alles rausnehmen. Daß ich im Hubschrauber nach Merheim gebracht wurde, weiß ich von meiner Mutter, die es allerdings auch nur gehört hat. Vielleicht ist es besser, daß ich nicht über den dramatischen Schluß schreiben kann. Wenn man es später liest, klingt es am Ende noch spannend. Und das war es nicht. Es war furchtbar, grauenhaft, entsetzlich! Ganz anders als ein Film im Fernsehen. Man kann nicht aufs Knöpfchen drücken, wenn man keine Lust mehr hat. Man kann nicht denken, den Rest nehme ich mir auf Video auf, den schaue ich mir morgen an. Morgen habe ich bessere Nerven. Und meine Mutter meint, ich sei fast wieder die Alte, weil ich mit ihr über Bikinis und Badeanzüge reden kann. Worüber soll ich sonst mit meiner Mutter reden? Über Ulli? Meine Eltern mochten ihn nicht. Das ist milde ausgedrückt. Mein Vater konnte Ulli auf den Tod nicht ausstehen. Meine Mutter war auch nicht begeistert von ihm. Als ich vor einem halben Jahr daheim erklärte, daß ich ausziehen und mit Ulli zusammenleben wollte, du meine Güte, was hat sie mir für Vorträge gehalten.
    »Hast du völlig den Verstand verloren, Andrea? Was denkst du, wie lange das gutgeht? Bilde dir doch nicht ein, daß er es ernst meint! Der sucht nur eine billige Putzfrau. Er wird dich ausnutzen, wenn es dabei bleibt. Wer weiß, was er im Schilde führt.«
    Meine Mutter konnte sich gar nicht beruhigen.
    »Jetzt sei doch vernünftig, Kind! Wenn du nicht mehr bei uns leben willst, nimm dir eine kleine Wohnung. Alt genug bist du ja, um auf eigenen Füßen zu stehen. Wir schießen dir jeden Monat etwas zu. Kein Mensch hat etwas dagegen, wenn du hin und wieder mit ihm ausgehst. Aber zu ihm ziehen, in seine Wohnung, Kind, du rennst mit offenen Augen in dein Unglück. Das ist kein Mann für dich. Du weißt doch, wie er ist.«
    Dann servierte sie mir die alte Geschichte mit meinem ersten Fahrrad noch einmal, als ob ich mich nicht mehr daran erinnert hätte. Das Fahrrad bekam ich zum sechsten Geburtstag, Zu der Zeit lebte Ulli schon seit ein paar Monaten bei seiner Tante. Sie ist eine Nachbarin von meinen Eltern, war die Schwester von Ullis Vater. Seine Eltern waren beruflich viel unterwegs. Schauspieler waren sie, gute Schauspieler, sagte Ulli, aber keine von den bekannten. Sie arbeiteten fast nur an kleinen Theatern, mußten sich dort sogar selbst schminken. Ulli konnte das auch, sich schminken, ein bißchen schauspielern, reden wie König Lear oder sonst einer. Er hatte es von seinem Vater gelernt. Letztes Jahr zu Karneval kam er als Araber, nicht mit einem Bettlaken um den Kopf, nur geschminkt und mit Akzent. Letztes Jahr zu Karneval lebte ich noch daheim. Wir wollten samstags zu einer Sitzung gehen, Ulli wollte mich abholen. Mir war das nicht recht. Ich dachte an das, was meine Eltern mir erzählten, wenn sie ihn zu Gesicht bekämen. Aber Ulli sagte:
    »Mach dir keine Sorgen, Schätzchen. Es ist Karneval, sie werden mich nicht erkennen.«
    Beinahe hätte ich ihn selbst nicht erkannt. Er trug einen normalen Anzug, Hemd, Krawatte. Nur sein Haar, es war viel dunkler, fast schwarz und ein bißchen lockig, und das Gesicht tiefbraun. Er hatte sich Polster in die Wangen geschoben, deshalb klang seine Stimme ganz anders, und sein Gesicht wirkte viel voller. Kontaktlinsen trug er auch, wegen der Augenfarbe. Wenn er nicht sein Auto direkt vor dem Haus geparkt hätte, hätte ich ihn wirklich nicht erkannt. Später erzählte er mir, sein Vater sei einmal so aufgetreten, noch etwas dunkler geschminkt, als Othello. Wenn Ulli von seinen Eltern sprach, war er anders, weich und verletzlich. Sie bedeuteten ihm sehr viel, obwohl er kaum etwas von ihnen gehabt hatte. Sie hatten ständig aus Koffern gelebt, ihn hatten sie in ein Internat gegeben. Damals, als er zu seiner Tante kam, war
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