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Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Rembrandts Vermächtnis (German Edition)

Titel: Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
Autoren: Alexandra Guggenheim
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Vorwort
    Der Anruf erreichte mich an einem Freitag, abends um acht Uhr. Ich packte gerade meine Koffer aus. Erst vor einer Stunde war ich von einem Kunsthistoriker-Kongress zum Thema der niederländischen Barockmalerei nach Hause gekommen.
    Wann ich wieder einmal bei ihm vorbeischauen würde, fragte mich Heer Hoogewerff, er habe nämlich heute eine interessante Lieferung erhalten. Bei meinem Anrufer handelte es sich um einen Antiquar in Amsterdam. Er scheut die Öffentlichkeit, deshalb hat es mir zur Auflage gemacht, seinen richtigen Namen nicht zu nennen. Hoogewerff riet mir, schnell zu kommen.
    Meine Neugierde war geweckt. Noch am selben Abend buchte ich im Internet ein Online-Flugticket und war drei Tage später in Amsterdam. Erwartungsvoll betrat ich den Laden und wurde von dem vertrauten Bimmeln der Türklingel begrüßt.
    Heer Hoogewerff, ein kleiner, zierlicher Herr mittleren Alters mit kurzem Grauhaar und Halbbrille, hatte in seinem Büro schon Tee und Butterkoekjes für mich bereitgestellt. Auf seinem Schreibtisch lag braun und abgegriffen ein lederner Koffer. Er schlug den Deckel zurück, und ich bestaunte ein Durcheinander von Büchern, Fotoalben, Silberbesteck, Goldketten sowie sorgsam beschrifteten bräunlichen Briefumschlägen.
    „Das alles stammt aus dem Nachlass einer guten Kundin von mir“, erzählte der Antiquar. „Einer ihrer Vorfahren war Stillleben-Maler. Die Dame ist vor ein paar Wochen gestorben, im gesegneten Alter von dreiundneunzig Jahren. Eine Nichte aus Australien ist ihre einzige Verwandte. Sie brachte mir diesen Koffer, außerdem einige Gemälde und Porzellanfiguren.“
    Unter den Büchern waren, das erkannte ich auf einen Blick, bibliophile Raritäten, beispielsweise eine niederländische Bibel aus dem Jahr 1688 sowie die Erstausgabe von Joachim von Sandrarts „Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste“ aus dem Jahr 1679.
    Meine Hand wurde jedoch magisch von drei unscheinbaren Heften angezogen, deren Einbände am unteren Rand die eingestanzten Buchstaben S und B aufwiesen. Das einseitig beschriebene Papier war nur wenig vergilbt, die Tinte klar und unverblasst. Mir war sofort bewusst, dass die Hefte alt sein mussten alt sein mussten. Sie ließen weder Brand-, Wasser- oder Nagerschäden noch irgendwelche Gebrauchsspuren erkennen. Als wären sie eines Tages geschlossen und seither nie wieder aufgeschlagen worden.
    Heer Hoogewerff bot mir an, in seinem Büro alles in Ruhe zu prüfen. Dann ging er aus dem Raum und schloss leise die Tür hinter sich. Ich setzte mich in den bordeauxroten Chippendale-Sessel in der Ecke und schlug eins der Hefte auf. In einer zierlichen, arabesken Handschrift war auf diesen Seiten etwas festgehalten, das mir den Atem verschlug. Ich las und las. Viele Stunden verbrachte ich über den Heften, ohne etwas von dem Tee und dem Gebäck anzurühren. Heer Hoogewerff wird dafür Verständnis gehabt haben.
    Als ich am Abend wieder nach Hause fuhr, befanden sich in meinem Gepäck drei in niederländischer Sprache verfasste Tagebücher mit einem letzten Eintrag aus dem Jahr 1723. Sie waren entweder eine exzellente Fälschung - oder aber eine Sensation. Sollten sie sich als echt herausstellen, würden sie das letzte Jahr im Leben des größten Malers der Niederlande in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Die Rede ist von Rembrandt van Rijn.
    Ich ließ die Hefte von den Experten der Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin begutachten. Sechs Wochen später lagen die Ergebnisse vor. Die Graphologen waren überzeugt, dass die Schrift von einer einzigen Person stammte. Die Labor-Analyse hatte ergeben, dass in dem Papier keine Holzfasern enthalten waren, sondern ausschließlich Hadern. Diese zerkleinerten Lumpenreste fanden seit dem Mittelalter in der Papierherstellung Verwendung. Holz war dagegen erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch.
    Die Beschichtung aus tierischem Knochenleim und Alaun entsprach der Methode, mit der in früheren Jahrhunderten Papiere schreibfest gemacht wurden. Die Bögen waren von Hand geglättet und nicht mit einer mechanischen Satinierwalze, wie sie erst seit dem 18. Jahrhundert zur Verfügung stand. Bei der chemisch-physikalischen Untersuchung wurde die Tinte mit der einer niederländischen Urkunde aus dem Jahr 1721 verglichen. Die Mischung war dieselbe: Galläpfel, Gummi Arabicum, Aloe, Salz und Wein, auch die jeweiligen Anteile stimmten überein.
    Damit stand fest, dass die Tagebücher tatsächlich
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