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Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)

Titel: Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Melanie Meier
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drehen.
    »Bestellungen?«, fragte Chest.
    »Dreißig Gramm Crystal, eine handvoll Crack.«
    »Gut. Hast du dran gedacht, die Preise zu erhöhen, Hora? Abholung oder Lieferung?«
    Er drehte sich auf dem Stuhl um und warf Chest einen spöttischen Blick zu. »Mein Hirn ist vielleicht Mus, aber wenn’s ums Geld geht laufe ich zu Höchstleistungen auf. Crack wird abgeholt, Crystal geht in den Stadtwesten.«
    Chest nickte. Er wandte den Blick ab, nahm den Joint zwischen die Lippen und zündete ihn an. Beim Ausatmen lehnte er sich im Sofa zurück, ließ den Kopf gegen die Lehne sinken und schloss die Augen.
    »Wie war deine Hure?« Horas Stimme hatte einen amüsierten Unterton.
    Er antwortete nicht. Es würde noch mindestens eineinhalb Stunden und zwei Gramm dauern, bis er seinen trockenen, hölzernen Humor wiederfand. Chest war kein Freund des Aufstehens.
    Der Stadtwesten. Sie wohnten im Osten. Das bedeutete, sie mussten die komplette Stadt durchqueren. Vorbei an unzähligen leblosen Bastarden.
    »Blutschuld«, murmelte Chest.
    »Drauf geschissen«, sagte Hora. »Abend für Abend.«
    Chest nickte.
    »Wir müssen aufhören, dran zu denken«, sprach Hora weiter. »Ich weiß, dass du nichts anderes tust, als dran zu denken, Chest. Du musst aufhören.«
    Chest reagierte nicht.
    »Du musst aufhören«, wiederholte Hora. »Ein, zwei oder drei Leichen mehr machen unsere Hölle nicht heißer. Das ist wichtiger, Chest. Unsere Zukunft hängt davon ab.«
    Chest seufzte, nahm den letzten Zug vom Joint und ließ den Stummel in den Aschenbecher fallen, ohne ihn auszudrücken. Wieder blieb er stumm.
    »Sei vernünftig«, quasselte Hora weiter. »Ich weiß, dass du die Blutschuld mit mir teilen willst, und das rechne ich dir hoch an. Aber ohne Scheiß, das ist beinahe lächerlich. Das nehme ich auf mich.«
    Chest stand auf, stellte sich hinter Hora und blickte ihm über die Schulter. Er befeuchtete den kleinen Finger, stippte ihn in das weiße Pulver und leckte es mit der Zungenspitze ab. Ohne Kommentar ging er zurück zum Sofa und setzte sich.
    ›Mir ist deine Blutschuld so egal wie die Leute, die an unserem billigen gestreckten Pep draufgehen‹, dachte Chest. ›Ich werde mitkommen, weil du ohne mich elendig verrecken würdest.‹
    Hora stieß ein Kichern aus. »Wie dem Herren beliebt«, meinte er.
    Beide wussten, dass Chest Recht hatte. Hora war einer der besten Kämpfer ihrer Schule gewesen, wahrscheinlich seit Jahrhunderten der beste, doch die Zeiten hatten sich geändert.
    Hora war nicht wie Chest.
    Wie Chest zu sein hätte Hora längst umgebracht. Seine eigenen Gedanken, die Blutschuld und die Kausalität hätten ihn mittlerweile von innen zerfressen wie ihr Pulver die Nasenschleimhäute.
    »Ich erledige das jetzt gleich«, sagte Chest. »Gib mir zwei Stunden.«
    Horas Blick war prüfend. Seine Gedanken lagen ausgebreitet vor Chest: ›Zwei Stunden sind zu wenig. Zwei Stunden reichen nicht einmal, um die Hälfte unserer Ausbildung aufzuarbeiten. Zwei Stunden sind ein Witz.‹
    Chests Grinsen glich einem Zerrbild desgleichen. Er sah Hora in die Augen, seine Lippen schoben sich weiter auseinander und ließen weiße, ebenmäßige Zähne sehen.
    ›Für dich, Hora! Du bist ein gefühlsduseliger Vollidiot. Ein lahmer gefühlsduseliger Vollidiot. Pampe du weiter die Substanzen zusammen. Ich regle unsere Zukunft. Gib mir zwei Stunden.‹
    Hora seufzte. Er verdrehte die Augen, drehte sich wieder zum Schreibtisch um und fing an, das Pulver aus der Waagschale zu schaufeln.
    »Mach«, sagte er, »du elendiger Aufschneider.«
    Chests Grinsen blieb auf den Lippen liegen. Er drehte sich eine neue Tüte, rauchte sie genüsslich, beobachtete dabei Horas Rücken und lauschte den Gedanken, die durch das aufgeweichte Hirn seines Kompagnons huschten wie Schatten auf einer vielbefahrenen Straße in der Nacht.
    Nachdem er fertig geraucht hatte, schloss er die Augen, lockerte seine Gelenke und nahm Abstand von allem: von seiner Wohnung, von Hora, seinen eigenen Gedanken, seiner Blutschuld, selbst von seinem Körper.

 
    3
     
    Der Hauptsitz der Filii Iani war ein unscheinbarer Bau in der Nähe des Marienplatzes in München. Der Eingangsbereich glich dem eines Gerichtes: Man musste sich ausweisen, den Grund seines Besuches offen legen, sich von bulligen Polizeibeamten die Taschen durchwühlen lassen und in einen Körperscanner treten.
    Wie groß das Gebäude tatsächlich war, erkannte man erst, wenn man nach dieser demütigenden Behandlung in einen
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