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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition)
Autoren: Siegfried Langer
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Küchenstuhl.
    Einen weiteren Versuch unternahm der Junge nicht. Er setzte zum Sprechen an, doch die strengen und gleichzeitig glasigen Augen des Mannes unterbanden auch dies.
    »Ich bin zurück«, sagte die Frau überflüssigerweise.
    Der Mann sah an ihr hinauf und dann nach oben über den Türrahmen.
    Der Frau war klar, dass dort die Zeiger der Küchenuhr dem Mann unbarmherzig Munition lieferten.
    »Es ist später geworden als geplant, aber …«
    Der Mann unterbrach sie rüde.
    »Es is’ später geworden, ja.«
    »Ich habe dort noch …«
    Die Frau hielt mitten im Satz inne, obwohl der Mann jetzt sanft und leise und überraschend deutlich sprach: »Was habe ich dir gesagt, als du losgegangen bist?«
    »Aber ich habe dort noch …«
    Der Mann erhob leicht seine Stimme: »Ich hab’ dich gerade gefragt, was ich dir gesagt hab’, als de losgegangen bist.«
    Die Frau schluckte. »Dass ich danach sofort wieder nach Hause kommen soll«, antwortete sie leise.
    »Wie lange hat die Fahrt gedauert?«
    Die Augen des Mannes fixierten die Frau; sie wich seinem Blick aus, sah zu Boden.
    »Ich habe nicht auf die Uhr geschaut.«
    »Wie lange hat die Fahrt gedauert?«
    »Ich weiß es nicht. Eine Stunde? Anderthalb Stunden?«
    Erneut blickte der Mann auf die Küchenuhr.
    »Und wie spät is’ es jetzt?«
    »Mir ist klar, dass ich spät dran bin, aber …«
    »Ich hab’ dir ’ne einfache Frage gestellt.«
    Sie nahm all ihren Mut zusammen, hob leicht den Kopf und trat in die Küche. Sie wollte zum Kühlschrank. Vielleicht gelang es ihr, die Situation zu überspielen.
    Völlig unvermittelt sprang der Mann auf. Sein Stuhl und der Tisch wackelten.
    Der Junge erschrak. Hastig grapschte er nach seiner SpongeBob-Figur, ehe sie umfallen konnte.
    Der Alkohol zeigte seine Wirkung. Die rasche Bewegung hatte dem Gleichgewichtssinn des Mannes zu viel abgefordert. Leicht gebückt und seine Hände zu Fäusten geballt, stützte er sich auf dem Küchentisch auf, um neue Kraft zu sammeln. Er schnaubte dabei wie ein wütender Bulle.
    Es dauerte nicht lange – die Frau hatte gerade den Griff der Kühlschranktür erreicht –, da hob er erneut seine Stimme.
    »Du wirst mir gefälligst antworten, wenn ich dich etwas frage.«
    Die Frau wusste nun, dass der Mann nicht lockerlassen würde. Sie ließ den Kühlschrank geschlossen und wandte sich wieder dem Mann zu.
    »Weißt du, dass ich das alles hier so was von satthabe?«
    Der Mann lachte laut auf.
    »Du hast das alles hier satt? Du?«
    »Ja, ich. Und am meisten habe ich dich satt!«
    »Wer kümmert sich denn nicht um seinen Haushalt, hä? Wer kümmert sich denn nicht drum, dass was Ordentliches zu essen auf’m Tisch steht?«
    Zum ersten Mal fasste der Junge Mut und mischte sich ein.
    »Aber Cornflakes sind doch …«, wollte er der Frau zur Seite stehen.
    Der Mann gab dem Jungen einen heftigen Klaps auf den Hinterkopf: »Du hältst die Schnauze, Kleiner.«
    »Lass den Jungen in Ruhe«, sagte die Frau, ohne lange zu überlegen.
    »Willste mir schon wieder Befehle geben?«
    »Ich habe nur gesagt, dass du den Jungen in Ruhe lassen sollst.«
    »Ich behandle ihn so, wie ich’s für richtig halte. Das hab’ ich dir heut’ schon mal gesagt.«
    »Wenn du jemanden schlagen willst, dann schlag mich«, erwiderte die Frau, um den Mann von dem Jungen abzulenken.
    »Das hatt’ ich sowieso vor. Aber wenn de mich nun auch noch so nett drum bittest …«
    Er machte einen Schritt auf sie zu. Doch wieder taumelte er. Seine Hand suchte Halt auf dem Küchentisch.
    Plötzlich hielt er das Brotmesser in der Hand.
    Mit zusammengekniffenen Augen musterte er ihr Gesicht.
    »Das letzte Andenken is’ ja recht gut verheilt. Zeit für’n neues.«
    Wütend stapfte er auf sie zu.
    Das Brotmesser näherte sich bedrohlich dem Gesicht der Frau, gleichzeitig rang er um sein Gleichgewicht.
    Die Frau griff nach der Hand des Mannes und drückte sie mit ihrer ganzen Kraft nach unten.
    Der Mann schien überrascht.
    Für einen Augenblick verharrten die beiden Hände und das Messer in Hüfthöhe.
    Der Junge nutzte die Gelegenheit. Ungestüm sprang er auf und stieß dabei seinen Cornflakes-Teller vom Tisch. Scheppernd zersprang er in unzählige Scherben. Ohne das Malheur weiter zu beachten, rannte der Junge um den Mann herum und stellte sich schützend vor die Frau. Er streckte dem Mann drohend die Harpune der SpongeBob-Figur entgegen.
    Der Mann ignorierte den Jungen. Er spannte seine Muskeln an und stemmte seine Hand nach oben,
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