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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition)
Autoren: Siegfried Langer
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Hand.
    »Werden Sie noch hier sein, wenn ich zurückkomme, Frau Adam?«
    »Nein, ich muss heute ins Büro.«
    »Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Tag.«
    »Den wünsche ich Ihnen auch, Ayse.«
    Ayse ließ Lukas an sich vorbei und folgte ihm dann in den Vorgarten.
    Wie jeden Morgen fuhr Ayse ihn in die John-F.-Kennedy-Schule nach Zehlendorf. Jacqueline war froh, dass er dort untergekommen war. Die Aufnahme war nicht einfach gewesen, doch zum Glück hatten Renés Kontakte ausgereicht. So lernte er bereits ab der ersten Klasse Englisch. Jacqueline wollte ihn fürs spätere Leben gut vorbereitet wissen.
    Und der Schulweg, die Strecke von Kleinmachnow nach Zehlendorf, war mit dem Auto schnell bewältigt. Ayse war den Adams eine große Hilfe.
    Jacqueline wollte nur noch das benutzte Geschirr in die Spülmaschine räumen, bevor sie zur Arbeit aufbrach. Doch als sie das Brotmesser berührte, fuhr plötzlich ein höllischer Schmerz durch ihren Kopf. Ohne jegliche Vorwarnung kam er; Jacqueline hatte das Gefühl, ihr Schädel wolle explodieren.
    Sie schrie schrill auf, und gleichzeitig zuckte ihr Körper für einige Sekunden, als hätte sie an ein Stromkabel gefasst.
    So schnell der Schmerz im Kopf gekommen war, so rasch war er auch wieder vergangen. Dafür breitete er sich nun an ihrer Hüfte aus. Sie sah an sich hinab und war entsetzt. Sie hatte sich mit dem Brotmesser ihre weiße Bluse und die Hüfte aufgeschlitzt. Die Stofffetzen färbten sich rot, Jacqueline wurde übel. Sie taumelte. Während sich die eine Hand um den Griff des Brotmessers verkrampfte, suchte sie mit der anderen hilflos nach Halt auf dem Küchentisch. Ihr Handballen klatschte auf die Kante von Lukas’ Cornflakes-Teller. Sich selbst überschlagend, flog er in die Luft und landete auf dem Parkettfußboden.
    Mit lautem Scheppern zerbrach er.
    Jacqueline erschrak erneut, sie zitterte am ganzen Körper. Ungläubig starrte sie auf die Misere: Das Zwiebelmuster des Tellers hatte sich in ein blauweißes Chaos verwandelt.
    Jacqueline bemerkte, dass sie immer noch das blutbefleckte Brotmesser festhielt. Sie legte es auf den Tisch und schob es weit von sich.
    Dann massierte sie sich die Schläfen.
    An Kopfschmerzen litt sie des Öfteren, doch so plötzlich und so intensiv waren sie bisher nicht aufgetreten.
    Erst mal durchatmen, dachte sie, zur Ruhe kommen.
    Vor kurzem hatte sie in einem Magazin gelesen, dass epileptische Anfälle viel häufiger auftraten als gemeinhin bekannt. Viele Menschen erlitten nur einen einzigen in ihrem Leben, und diesen im Schlaf. Sie waren sich dessen also noch nicht einmal bewusst.
    Vielleicht ist es etwas Vergleichbares gewesen?, dachte sie.
    Eine kurze Fehlfunktion im Nervensystem?
    Ein einmaliger Aussetzer?
    Sie beschloss, die Erinnerung an die eben erlittenen Qualen zu verdrängen.
    Jacqueline zog ihre Bluse aus und ließ sie neben den Scherben zu Boden fallen. Sie besah sich den Schnitt in ihrer Hüfte. Die Wunde hatte zum Glück aufgehört zu bluten. Das Messer war nicht sehr tief eingedrungen.
    Ein Heftpflaster sollte ausreichen, dachte sie und holte sich eines aus dem Arzneischrank im Bad.
    Nachdem sie die Wunde versorgt hatte, nahm sie sich ein Aspirin aus dem Schrank. Sie kehrte zurück in die Küche, löste die Tablette in einem Glas Wasser auf und trank die trübe Flüssigkeit.
    Mit Daumen und Zeigefinger griff sie nach dem Messer. Unter heißem Wasser spülte sie es ab und steckte es zurück in den Messerblock.
    Dann bewaffnete sie sich mit Schaufel und Besen und kehrte die Scherben zusammen.
    Ihr lag sehr daran, dies eigenhändig zu tun und nicht Ayse zu überlassen.
    Die Fragen nach den Scherben hätten nur Fragen nach dem Anfall nach sich gezogen. Sie wollte nicht mehr daran denken müssen.
    Jacqueline kippte die Scherben auf ihre zerschnittene Bluse und wickelte sie darin ein. Das gesamte Bündel steckte sie in eine Plastiktüte.
    Nachdem sie sich eine frische Bluse angezogen hatte, hängte sie sich ihre Handtasche um. Ein letztes Mal kontrollierte sie im Spiegel, ob Frisur und Make-up saßen. Ihre blonden, leicht gelockten Haare fielen elegant bis zu den Schultern, ihr Teint wirkte frisch und gesund. Jacqueline gefiel sich. Die Aktenmappe unter den Arm geklemmt, schnappte sie sich die Plastiktüte und verließ das Haus.
    Im Carport stand ihr roter Mercedes. Sie stieg ein und machte sich auf den Weg in ihr Büro in der Friedrichstraße.
    Auf halber Strecke hielt sie am Straßenrand an und entsorgte die Plastiktüte
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