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Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition)
Autoren: Siegfried Langer
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doch die Frau hielt erfolgreich dagegen.
    »Dann bekommste dein Andenken eben an ’ner andren Stelle«, drohte der Mann.
    Völlig unerwartet stach der Mann nach vorne.
    Das Messer ritzte das T-Shirt der Frau auf und schnitt in die darunterliegende Haut.
    Blut benetzte den weißen Stoff.
    Die Frau achtete nicht auf den Schmerz. Sie erkannte die Gefahr, in der der Junge schwebte. Er musste zur Seite, schnell.
    Mit ihrer anderen Hand versuchte sie, den Jungen von sich zu stoßen. Im selben Moment zuckte das Brotmesser erneut nach vorne.
    Die Frau schubste den Jungen geradewegs hinein.
    Das Brotmesser schlitzte den Hals des Jungen auf, traf genau die Schlagader.
    Blut! Sofort brach es in pulsierenden Strömen hervor.
    Der Junge sah ungläubig zu dem Mann, anschließend ins Gesicht der Frau.
    Sein Mund öffnete sich und schloss sich wieder. Kein Laut verließ seine Lippen.
    Kraftlos sackte er in sich zusammen. Seine Finger vermochten die SpongeBob-Figur nicht mehr festzuhalten. Sie fiel zu Boden und kam neben den blauweißen Scherben des Cornflakes-Tellers zu liegen.
    Immer mehr Blut quoll aus dem Hals des Jungen hervor, auf dem beigefarbenen Teppich erschien ein immer größer werdender Fleck in dunklem Rot.
    Die Frau ging in die Knie.
    Sie nahm den blutverschmierten Kopf des Jungen in den Schoß.
    Die Augen des Jungen stierten sie an.
    Für einen Sekundenbruchteil dachte sie daran, einen Krankenwagen zu rufen, doch sie wusste, dass es bereits zu spät war.
    Die Augen des Jungen waren leer geworden, sie sahen geradewegs durch die Frau hindurch.
    Ein markerschütternder Schrei übertönte die dumpfen Hip-Hop-Rhythmen der Nachbarn.

1. Kapitel
    Jacquelines Berichterstattung
     
    I n ihrer Mittagspause ging Jacqueline gemeinsam mit ihrer Mutter shoppen. Sie verlor sie dabei aus den Augen. Am Abend desselben Tages behauptete ihr Mann, dass ihre Mutter bereits vor zwei Jahren gestorben sei.
    Der Morgen hatte für Jacqueline Adam genauso angefangen wie viele andere davor.
    René, ihr Mann, war bereits aus dem Haus, als sie sich in der Küche um das Pausenbrot ihres Sohnes kümmerte. Sie liebte diese Küche. Seit zwei Monaten war sie nun fertig. Eine mehr als fünfunddreißig Quadratmeter große Wohnküche, in amerikanischem Stil, mit einem Arbeits- und Kochtresen, der gleichzeitig als Raumteiler fungierte. Die gesamte Einrichtung in weißen und bordeauxroten Tönen gehalten. Alles exakt so verwirklicht, wie sie es der Innenausstatterin aufgetragen hatte.
    Vor ihr auf der Arbeitsfläche lag ein Vollkornbrot. Mit einem Brotmesser schnitt sie zwei dünne Scheiben davon ab. Sie belegte die Scheiben mit Gouda und garnierte das Ganze mit einem Salatblatt. Danach teilte sie einen Apfel, entkernte ihn und schnitt ihn in acht mundgerechte Stücke. Die beiden Brote legte sie zusammen mit den Apfelteilen in eine blaue Plastikbox. Für Lukas, ihren geliebten Lukas. Sieben Jahre alt war er vergangenen Winter geworden.
    Neben dem Arbeitstresen, auf dem Esstisch, stand noch Lukas’ leerer Teller; seine Cornflakes hatte der Junge aufgegessen.
    Jacqueline wollte eben den Teller wegstellen, da klingelte es an der Tür.
    »Ich mach auf«, hörte Jacqueline ihren Sohn aus der Richtung des Badezimmers rufen und gleich darauf vernahm sie, wie Lukas zur Haustür flitzte.
    Jacqueline griff nach der Pausenbox und ging zur Küchentür. Sie sah, wie ihr Sohn die junge Frau im Flur herzlich umarmte: Ayse.
    Er ist nun alt genug, um ihm das endlich abzugewöhnen, dachte Jacqueline und nahm sich vor, es abends anzusprechen.
    Ayse kam, um Lukas abzuholen und ihn zur Schule zu bringen.
    »Guten Morgen, Frau Adam«, sagte Ayse. »Au, nicht so doll, Lukas.«
    »Guten Morgen, Ayse.«
    Ayse musterte den Jungen: »Oh, da hat sich aber einer schick gemacht.«
    Jacqueline wusste sofort, was Ayse meinte. Lukas’ Haar saß sauber links gescheitelt und er trug sein neues weißes Hemd. Jacqueline war stolz auf ihn.
    »Das habe ich ganz alleine gemacht. Ich habe einen neuen Kamm.«
    Er zog den Hornkamm, den ihm sein Vater gestern geschenkt hatte, aus der Gesäßtasche, und präsentierte ihn Ayse.
    »Von Papa.«
    Ayse nickte anerkennend.
    »So, wir müssen los«, sagte sie dann.
    Lukas’ Schulranzen stand bereits fertig gepackt an der Haustür. Er schulterte ihn und lief noch einmal zurück zu seiner Mutter. Jacqueline ging leicht in die Knie, damit er sie zum Abschied auf die rechte Wange küssen konnte. Wie immer.
    Sie drückte ihm die Plastikbox in die
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