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Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht

Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht

Titel: Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
Autoren: Thomas Finn
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Ach , da kommt der Meister Herr, die Not ist groß, Die ich rief, die Geister, Werd ich nun nicht los.« Der Zauberlehrling
Moorgeister
    Das Irrlicht tanzte im silbernen Schein des Vollmonds. Von weitem hätte man es für ein Glühwürmchen oder die Laterne eines einsamen Torfstechers halten können. Doch je näher es kam, desto mehr enthüllte sich in der Dämmerung eine lodernde Gestalt mit spindeldürren Armen und Beinen, deren Haupt von einer wabernden Lohe umrahmt wurde. Zögernd tänzelte das Irrlicht mal hierhin, mal dorthin. Dann huschte es im Zickzack über die trügerischen Tümpel hinweg auf die Quelle der Flötenmelodie zu, die wehmütig über dem Moor schwebte.
    Kai pustete sich eine Strähne seines schwarzen Haars aus der Stirn und duckte sich noch tiefer hinter das Schilf, das ihm und seiner Großmutter als Versteck diente. Dummerweise waren seine Stiefel bereits bis zum Schaft im Morast eingesunken und so wurde jede Bewegung von einem dumpfen Schmatzen begleitet.
    Gequält verzog der Junge das Gesicht. Er konnte nur hoffen, dass das Geräusch von dem Wind geschluckt wurde, der säuselnd über die unheimliche Ödnis strich. Irrlichter waren scheu.
    Auch Kais Großmutter schien nichts bemerkt zu haben. Die erfahrene Irrlichtjägerin kauerte ruhig neben ihm und konzentrierte sich ganz auf das Spiel ihrer Schwanenbeinflöte. Die Tonfolge wurde immer melancholischer und schwermütiger. Irrlichter wurden von traurigen Melodien angelockt. Dieses Wissen gehörte zu den Geheimnissen der Irrlichtjäger, welche die Großmutter an Kai weitergegeben hatte.
    Warum dies so war, konnte kein Irrlichtjäger so genau sagen. Man fragte ja auch nicht, warum Gespenster vorzugsweise um Mitternacht spukten oder warum Gnome lieber unter Wurzeln oder in Erdhöhlen lebten, statt sich anständige Unterkünfte zu bauen. Im Moment war Kai das jedoch egal. Denn wenn er nicht bald aufstehen durfte, würden seine Stiefel mit Wasser voll laufen. Sollte das passieren, würden die folgenden Stunden noch ungemütlicher werden als die vorangegangenen.
    Dennoch wagte er es nicht, sich zu rühren. Keinesfalls durfte ihm ein weiterer Fehler wie eben passieren. Ein Irrlichtjäger musste sich in Geduld üben können. Das Irrlicht da vorn war zwar ein recht dummes Geschöpf, aber wenn es sie bemerkte, würde es seine Artgenossen warnen. In diesem Fall konnten sie ihre Ausrüstung gleich wieder zusammenpacken und nach Hause gehen. Dazu durfte es nicht kommen. Nicht an einem Abend wie diesem. Schließlich wollte Kai heute zum ersten Mal selbst ein Irrlicht fangen.
    Das Flammenwesen hatte sich ihrem Versteck inzwischen bis auf ein halbes Dutzend Schritte genähert. Wie die meisten Irrlichter war es etwa eine Handspanne groß und Kai erkannte an seinem Schein, dass es noch relativ jung war. Das war gut so. Junge Irrlichter brannten heller als ältere Exemplare. Die Händler aus Hammaburg, die einmal im Monat die Elbe zu ihnen heraufkamen, würden seiner Großmutter einen guten Preis dafür zahlen. In der großen Hafenstadt wurden Irrlichter zur Straßenbeleuchtung eingesetzt. Die seltenen großen Exemplare, für die die Händler sogar Gold boten, wanderten direkt in die Haushalte der Reichen. Solche Irrlichter waren in der Elbstadt noch begehrter, denn sie veränderten bei Musik ihre Farbe. Spielereien dieser Art waren vor allem bei den so genannten Pfeffersäcken, den reichen Kaufleuten Hammaburgs, beliebt, die sich kostbare Elfenharfen, Waffen aus zwergischer Fertigung oder noch exotischere Güter aus den fernen Reichen der Dschinn leisten konnten. Leider waren solche Irrlichter überaus selten.
    In diesem Augenblick verharrte das Irrlicht. Wäre das Schilf nicht gewesen, Kai hätte nach ihm spucken können, so nah war es ihnen inzwischen gekommen. Für einen kurzen Moment flackerte es verwirrt. Plötzlich züngelte sein Feuerleib so heftig wie eine Kerzenflamme im Wind und der lodernde Mund der kleinen Gestalt zog sich geisterhaft in die Länge.
    Ein gespenstisches Wehklagen erfüllte das Moor. Kai lief ein Schauer über den Rücken. Diesen Teil der Arbeit mochte er überhaupt nicht. Wie immer erinnerte ihn der Klagelaut des Irrlichts an das verzweifelte Schreien eines Kindes. Als angehender Irrlichtjäger wusste er nur zu gut, dass dem Gesang der Irrlichter eine schwache Zauberkraft innewohnte. Eine gefährliche Eigenheit, die sie erst während ihrer Gefangenschaft verloren. Unerfahrenen Moorwanderern konnte das Gejammer die Sinne verwirren
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