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Vampirjaeger

Vampirjaeger

Titel: Vampirjaeger
Autoren: Richard Laymon
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Ich fragte mich, ob sich ihre vollen Lippen so anfühlen würden wie in meiner Erinnerung.
    Sie hatte den Mund leicht geöffnet, die Unterlippe stand ein wenig vor. Ich war drauf und dran, sie zu küssen.
    Aber sie sagte: »Siehst du dir das mal an, bitte?«
    Sie öffnete ihren Morgenmantel, schob die glatte blaue Seide nach links und entblößte dabei einen schmalen Streifen nackter Haut bis hinunter zu dem Gürtel um ihre Hüften. Gerade, als ihre linke Brust hervorlugen wollte, bedeckte sie diese mit der rechten Hand und hielt so auch den Morgenmantel fest. Ihre andere Hand schob den Stoff fast von der Schulter.
    Sie neigte ihren Kopf nach rechts, sodass ich die linke Seite ihres Halses klar und deutlich erkennen konnte.
    Tief unten an ihrem Hals sah ich zwei Löcher, als wäre sie dort vor ein oder zwei Tagen mit einem Eispickel oder einem frisch gespitzten Bleistift gestochen worden. Saubere, kleine Einstichstellen, die etwa zwei bis drei Zentimeter auseinander lagen. Winzige Krater, gefüllt mit einer dunklen, getrockneten Flüssigkeit.
    »Was denkst du?«, fragte sie.
    »Du wirst mir doch jetzt nicht erzählen, dass das ein Vampir war«, antwortete ich.
    »Denk drüber nach.«
    »Ein Vampir?«
    Sie sah mir in die Augen und sagte: »Er kommt nachts in mein Schlafzimmer, beißt mich und trinkt mein Blut. Wie würdest du so einen nennen?«
    Glücklich, antwortete ich in Gedanken. Und fühlte mich wie ein Idiot.
    »Darf ich mal fühlen?«, fragte ich. Sie hob eine Augenbraue. »Nur zur.«
    Ich legte die Kuppe meines Zeigefingers auf die Einstichstellen. Die Haut war an den Rändern der Löcher leicht geschwollen. Ich konnte die Vertiefungen nicht wirklich spüren, sie waren einfach zu fein.
    »Sie sind echt«, sagte Cat.
    »Ja. Das sind sie.«
    Echt, aber möglicherweise selbst zugefügt. Zehn Jahre waren vergangen.
    Mit dreizehn, vierzehn, fünfzehn und für den kleinen Teil ihres sechzehnten Lebensjahres, bevor ich sie verloren hatte… damals war Cat verschmitzt, warmherzig, unschuldig, voller Träume und zu jeder Schandtat bereit gewesen.
    Wie viel war von der alten – der jungen – Cat noch da? War sie durchgedreht und wahnsinnig geworden?
    Obwohl ihr plötzliches Auftauchen mitten in der Nacht, bekleidet nur mit einem Morgenmantel, durchaus merkwürdig war, so kam sie mir doch nicht verrückt vor.
    Sie schloss ihren Morgenmantel wieder und sagte: »Ich möchte, dass du ihn aufhältst, Sammy. Ich kann es einfach nicht mehr ertragen. Ich habe versucht, ihn selbst zu töten, aber er ist zu stark. Ich dachte, du könntest dich vielleicht verstecken und ihn dann überwältigen, wenn er das nächste Mal kommt.«
    »Du willst, dass ich ihn töte?«
    »Würdest du das tun?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich.
    »Komm einfach mit rüber und bleib bei mir, okay? Kannst du das tun?«
    »Sicher.«

Kapitel 2
    Cats Wagen stand vor meinem Apartmenthaus am Straßenrand. Niemand war zu sehen. Ich ging hinter ihr und trug meine Tasche.
    Es war eine warme Julinacht. Eine leichte Brise wehte vom Meer herüber, das etwa acht Meilen entfernt lag. Wenn man mit nichts als einem Morgenmantel am Körper durch die Gegend laufen wollte, so war dies die perfekte Nacht dafür.
    Am Heck des Wagens nahm Cat die Schlüssel aus der Tasche. Sie öffnete den Kofferraum und ich warf meine Tasche hinein. Der Kofferraumdeckel machte ein angenehm solides Geräusch, als ich ihn schloss.
    Wir trennten uns. Ich ging zur Beifahrertür, sie auf die Fahrerseite.
    »Es ist nicht abgeschlossen«, sagte sie.
    Als ich die Tür öffnete, ging das Innenlicht an. Wir stiegen beide ein. Cat hatte einige Schwierigkeiten, ihren Morgenmantel geschlossen zu halten. Ich sah in die andere Richtung, da ich keinen von uns beschämen wollte. Wir schlossen die Türen und das Licht erlosch.
    Nachdem sie einige Sekunden lang ihren Morgenmantel geglättet hatte, startete sie den Motor. »Ich hätte mir was anziehen sollen«, entschuldigte sie sich.
    »Es ist ein schöner Morgenmantel«, erwiderte ich.
    Sie schaltete die Scheinwerfer ein und lenkte den Wagen vom Bordstein weg auf die Straße. »Ich wollte einfach nur so schnell wie möglich weg. Hab nicht mal gewusst, wo ich hin sollte. Ich warf meinen Morgenmantel über, schnappte mir die Schlüssel und rannte los. Und bin dann schließlich bei dir gelandet.«
    »Du wusstest, wo du mich finden kannst?«
    »Klar. Schon eine ganze Weile.«
    »Schon eine Weile?«
    Cat drehte den Kopf und ich sah hinüber zu ihr.
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