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Vampire trinken ex

Vampire trinken ex

Titel: Vampire trinken ex
Autoren: Carter Brown
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worden. Der alte Mann lehnte zwischen
aufgetürmten Kissen im Bett, und ich hoffte inbrünstig, daß nur der trübe
Schein der Kerze daran schuld war, daß sein Gesicht so teuflisch wirkte.
    Fünfundzwanzig Jahre lang, wenn
ich mich recht erinnerte, hatte er beim Film das große Geschäft gemacht. In den
frühen fünfziger Jahren fand man die zweitklassigen Horrorfilme, die sein
Metier waren, plötzlich albern und langweilig und hörte einfach auf, sie zu
produzieren. Die meisten Leute trauerten ihnen nicht nach. Filmfans
betrachteten einige von ihnen als Klassiker, doch sonst hatte sich in den
letzten zwei Jahrzehnten kein Mensch mehr für sie interessiert. Was war also
jetzt aus ihm geworden? Ein einsamer, alter Mann, der mit seinen Erinnerungen
lebte und von einer liebevollen Enkelin, die für ihn Verständnis hatte,
versorgt wurde. Wenn das stimmte, was, zum Teufel, wollte er dann von mir?
    »Sie sind Holman ?« Er besaß eine tiefe, überraschend resonante
Baritonstimme.
    »Ich bin Holman «,
bestätigte ich. »Und Sie sind Horace Chase und haben mich gebeten, Sie zu besuchen .«
    »Holen Sie sich einen Sessel
und setzen Sie sich, Holman , aber nicht zu nahe, weil
heute mein Lepratag ist .« Er
lachte plötzlich. »Eine der kleineren Schwächen, die ein alter Mann sich
leistet, der ein Leben lang von Schreck und Graus gezehrt hat. Ich mache mir
manchmal den Spaß, mir vorzustellen, ich wäre von einer gräßlichen Krankheit befallen, in diesem Zimmer gefangen, ohne die geringste Hoffnung auf
Rettung. Was würde ich tun, frage ich mich dann. Wie kann ich entkommen? Und
wichtiger, möchte ich überhaupt entkommen? Wie würde ich es tragen, wenn ich
der Welt beispielsweise mit entstelltem Gesicht und ohne Nase gegenübertreten
müßte ?«
    »Das muß ja wirklich ein
Heidenspaß sein .« Ich schob einen Sessel mit hoher,
steifer Lehne zum Bett, aber nicht zu nahe, und ließ mich darauf nieder.
    »Wie gefällt Ihnen das Haus ?« Er lachte wieder. »Dumme Frage. Es gefällt niemandem
außer mir. Es war eine Art Rückzahlung. Die Horrorfilme haben mich reich
gemacht, deshalb beschloß ich, auf meine eigene, bescheidene Art Ehrerbietung
darzubringen. Außerdem habe ich für die Zeit nach meinem Tod schon einen Plan
mit dem Haus. Chastity kann es in ein Horace-Museum
umfunktionieren und Eintritt verlangen. Das wird ihr ein hübsches Einkommen
bringen .«
    »Was wollen Sie von mir ?« fragte ich.
    »Ihre Dienste«, erwiderte er.
»Ich habe mich umgehört, habe einige alte Freunde, die noch nicht tot sind. Die
meinten, Sie wären der rechte Mann für mich. Troubleshooter war das
Wort, das sie gebrauchten, wenn ich mich recht erinnerte. Ein sehr diskreter
Mensch, dieser Holman , sagten sie. Diskret und
tüchtig.«
    »Und ungeduldig«, fügte ich
hinzu. »Was wollen Sie ?«
    »Das Haus«, fuhr er fort, »die
Einrichtung, selbst die Art, wie Chastity gekleidet
ist — kleine Leidenschaften eines alten Mannes. Proustisch auf eine eigene Art. Immer auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Ich kann
mich leider der genauen Worte, die Shakespeare gebrauchte, nicht erinnern, doch
er sagte es kurz und prägnant. Etwas von einem Menschen, der seinen kurzen
Auftritt auf der Bühne bis zur Neige auskostet und dann für immer in der
Versenkung verschwindet. Der Dichter sprach natürlich vom Tod. Doch die
Anonymität ist auch eine Form des Todes, gerade für einen Schauspieler. Und
dann plötzlich, nachdem man jahrelang vergessen war, erinnert sich jemand an
einen. Er macht einen Besuch, ist höflich und sogar sachkundig. Ich mag das
Wort nicht, aber er ist ein Fan. Er hat jeden Film gesehen, den ich je gemacht
habe, und nicht nur einmal, sondern viele Male. Er hat Szenen im Gedächtnis,
die ich längst vergessen hatte. Er ist nicht allein, sagt er, sondern der
Sprecher einer kleinen Gruppe von Horace-Chase-Anhängern. Ich bin natürlich
entzückt .«
    »Und was geschah ?« fragte ich. »Er lieh sich Geld? Bot Ihnen an, sich an
einem todsicheren Geschäft zu beteiligen, bei dem ein Gewinn von mindestens
zweihundert Prozent herausspringen würde ?«
    »Bitte!« Er schloß die Augen.
»Nichts dergleichen. Mehr als alles andere, erklärte er, wünschten er und seine
Gruppe, einige meiner Filme wieder zu sehen. Ob das möglich wäre? Ich erwiderte
ihm, ich hätte von jedem Film, den ich je gemacht hatte, eine Kopie im Keller,
dazu einen Projektor und alle anderen notwendigen Geräte. Doch ich habe die
Filme schon seit Jahren nicht mehr laufen
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