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Urmels toller Traum

Urmels toller Traum

Titel: Urmels toller Traum
Autoren: Max Kruse
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vor. Mit
beiden Flossen klappte er ein Notenblatt auf. Es zitterte leicht. Aber der
schwarze Frack mit der weißen Weste und der weißen Schleife vor der Kehle stand
ihm gut. Er sah äußerst vornehm aus.
    Nach einer Pause der Sammlung
nickte er Onkel Pitsch ernst und zugleich aufmunternd zu und Onkel Pitsch
nickte ebenso ernst und aufmunternd zurück.
    Das war das Zeichen zum Beginn.
Onkel Pitsch ließ seine Wabbelfinger auf die Tasten fallen.
    Der Misston war erschreckend.
Trotzdem lächelte Onkel Pitsch beglückt, und Seele-Fant öffnete sein
sangesfrohes Maul, um zu röhren:
     
    »Eun
Vögleun wolltö Hochzeut machön ön
    döm
grünen Wahahald
    födöralala,
födöralala , födöralalalala ...«
     
    Urmel-König missfiel dieses
Lied. Er hielt sich die Ohren zu. Er rief: »Sofort aufhören! Hier ist weder ein
Wald noch bin ich ein Vöglein. Das ist eine ungeheuerliche
Majestätsbeleidigung!«
    »Aber Majestät«, grunzte Wutz begütigend.
    »Sei still, Hofmarschallin«,
maulte Seine Majestät Urmel-König. »Du steckst ja auch immer mit dem
verdächtigen Herrn Mö zusammen und hast ihn eingeladen, ohne mich zu fragen.«
Urmel-König war entweder schlecht gelaunt oder er hatte zu viel getrunken.
    Onkel Pitsch und Seele-Fant
packten beleidigt ihre Noten zusammen. Die Lust zur Fortsetzung des Konzerts
war ihnen vergangen.
    Die Gäste standen betreten
herum und blickten auf den Fußboden. Es entstand ein peinliches Schweigen.
    »Wundert mich gar nicht, möm«,
sagte Herr Mö zu sich selbst im Nebenzimmer. Glücklicherweise wurde er nicht
gehört.
    Und glücklicherweise begann nun
wieder die unsichtbare Tanzkapelle, geräuschvoll zu spielen. Um der
Verlegenheit ein Ende zu bereiten, fanden sich die ersten Paare zum Reigen
zusammen.
    »Der arme Wawa«, grübelte Ping
Pinguin. »Urmel-König will nicht mit seiner Frau tanzen. Wenn es auch nur eine
gespielte Frau ist, so was gehört sich einfach nicht. Vielleicht sollte ich...«
    Er watschelte zum Podest, auf
dem der Thron stand, unter dessen Sitz sich Wawa-Königin verkrochen hatte und
sich unnütsch fühlte.
    »Willst du mit mir tanzen?«,
fragte Ping Pinguin. Er verbeugte sich.
    »Hattest du tantschen gesagt?«
Wawa wunderte sich. »Wie auch immer, wenn ich schon die Königin spielen soll
und mich von Wäscheklammern tschwicken lasse und Schleier trage, dann will ich
auch mit ›Majestät‹ angeredet werden.«
    »Von mir aus«, antwortete Ping
Pinguin und sagte »Majestät« zu Wawa. »Willst du mit mir tanzen, Majestät?«
    »Mit dir Zwerg?«, fragte
Urmel-König, der in der Nähe stand.
    »Ich meinte ja Wawa!«, sagte
Ping Pinguin.
    »Wawa wird nicht mit ›Majestät‹
angeredet!«, rief Urmel-König. »Das ist doch die Höhe. Er ist wohl
größenwahnsinnig geworden, bloß weil ich mit ihm Hochzeit gespielt habe? Na gut,
dann spiele ich jetzt mit ihm Scheidung. Wawa, ich verstoße dich, du bist nicht
mehr meine Frau!«
    »Auch gut«, sagte Wawa.
»Wutsch, würdest du mir dann bitte die tschwickenden Wäscheklammern von der
Kopfhaut abnehmen?«
    »Oh nein, öfföff«, rief Wutz
empört. »So geht es aber ganz und gar nicht. Urmel-König kann nicht heiraten
und seine Frau verstoßen, ganz wie es ihm beliebt, öfföff!«
    »Kann ich natürlich«, sagte
Urmel-König. »Und ich kann noch mehr! Wenn du mich ärgerst, lasse ich dich
endlich doch einsperren!«
    »Meinetwegen, dann bin ich eine
Märtyrerin der Wahrheit.«
    Wawa wuselte eilig davon, er
wollte kein Märtyrer sein. Und von jetzt an war er auch keine Königin mehr. Im
Nebenzimmer entledigte er sich freudig der ekelhaften Klammern und des
Schleiers.
    Im Ballsaal jedoch entstand ein
unerfreulicher Streit zwischen Wutz und Urmel-König. Wutz wurde sehr böse und
Urmel-König wurde sehr böse. Schließlich schrie Urmel-König: »Die
Hofmarschallin ist entlassen! Sie ist nicht nur entlassen, sie ist verhaftet,
weil sie freche, aufrührerische Reden geführt hat. Sie ist eine
Revolutionärin!«
    »Du liebe Güte«, flüsterte
König Futsch seiner Naftaline zu, »Revolutionärinnen habe ich mir immer ganz
anders vorgestellt. Das Urmel schnappt über!«
    Und so war es auch. Diesmal war
Herr Mö nicht schnell genug zur Stelle. Der Traumkobold befehligte die
Schlosswache, die den Matrosen auf Seiner Majestät Schiff »Victoria« aufs Haar
glichen: sechs Pelikane mit blanken, gezückten Säbeln unter den Flügeln. Sie
nahmen Wutz in ihre Mitte und führten sie ruck, zuck ab. Das ging so schnell,
dass niemand
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