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Urmels toller Traum

Urmels toller Traum

Titel: Urmels toller Traum
Autoren: Max Kruse
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Ständchen gebracht. Unten im
Schlosshof stand unübersehbar Herr Mö und er war der Anführer. Seine Mütze
hatte er keck aufgesetzt, hatte auch seine Pfeife im Mund und war bewaffnet mit
zwei Pistolen. Hinter ihm rotteten sich Tim Tintenklecks und Babu, Schusch und
Ping Pinguin, Wawa und sogar Seele-Fant zusammen. Sie alle trugen Säbel,
Schilde, Gewehre und Spieße. Sie hatten Trommeln, Trompeten und Sprechtrichter,
die den Schall der Stimmen verstärkten. Sie trugen auch zwischen langen Stangen
aufgespannte Spruchbänder, große Tafeln oder Transparente. Tim Tintenklecks
hatte offenbar Nachtschicht gemacht, gearbeitet und gemalt. Da war zu lesen:
     
    »Uns
allen zum Schutz
    Freiheit
für Wutz!«
     
    »Nieder
mit dem König!«
     
    »Schluss
mit der Willkür!«
     
    Herr Mö nahm die Pfeife aus dem
Mundwinkel, deutete mit ihrem Stiel nach oben — es sah aus, als ob er mit der
Pistole nach ihm zielte — und rief Urmel-König zu: »Kannst du mich verstehen?«
    Natürlich, er brüllte ja laut
genug.
    Herr Mö grollte: »Also, möm,
dann hör nur gut zu! Wir verlangen, dass du aufhörst, König zu sein!«
    »Ich bin doch noch kein König
Futsch«, antwortete Urmel-König.
    »Gib Wutz frei!«, forderte Herr
Mö.
    »Nein, sie hat ihre Strafe
verdient«, rief Urmel-König tapfer hinab, obwohl ihm eigentlich das Herz
flatterte. Das war ja eine richtige Revolution.
    Und sogar Babu meldete sich
jetzt zu Wort: »Wirrr brrrauchen keinen Herrrscherrr, wirrr rrregierrren uns
selberrr!« Schrecklich rollten die Bären-Rs über den Hof. Ping Pinguin machte
den Schnabel auf, um zu verkünden: »Pfluss mit deiner Herrpfaft! Jeder soll nur
noch das machen, was er will!«
    »Und vor allem soll jeder nur
noch heiraten, wen er selber will«, zischte Wawa. »Ich jedenfalls heirate nie
mehr einen König, nie!«
    »Jawohl, wir wollen wieder
friedlich in unseren Mupfeln leben«, sagte Ping Pinguin. »Das Pfloss wird
abgerissen.« Wawa nickte eifrig. Ihm schien diese Aussicht zu behagen.

    »Und keiner soll den anderen
mehr bedänen müssen«, erklärte Schusch. »Das kann säch übrägens auch Wutz
merken. Wenn sä wäder frei äst. Äch wäsche keine Ecken mehr aus.«
    Über diese Äußerung freute sich
Urmel-König, denn sie würde seine gefangene Hofmarschallin gewiss ärgern. Aber
seine Freude währte nicht lange, weil sich jetzt auch Seele-Fant dem
allgemeinen Protest anschloss. »Öch fordörö Freuheut för dö Kunst! Nödör möt
dör Zönsur! Jödör soll söngön dörfön, was ör wöll!«, bellte er.
    »Das wäre ja schrecklich!«,
antwortete Urmel-König. »Niemals, niemals!«
    »Du willst also unsere
Forderungen nicht erfüllen?«, fragte Herr Mö drohend.
    »Nein!«, antwortete
Urmel-König. Es fiel ihm ein, dass es jetzt wohl besser wäre, nach seiner Wache
zu rufen. Aber Herr Mö kam ihm zuvor. Er feuerte eine seiner Pistolen in die
Luft ab. »Freiheit für alle — Freiheit für Wutz, möm!«, schmetterte er.
    Urmel-König zuckte zusammen. Er
duckte sich hinter das Fensterbrett.
    Als er wieder vorsichtig
auftauchte und über den Rand hinausschielte, da sah er zu seinem Entsetzen,
dass sich der ganze Schlosshof gefüllt hatte: Von allen Seiten waren
uniformierte Schweine-Soldaten herbeimarschiert. Hatte Herr Mö sie in der Nacht
auf die Insel Titiwu kommen lassen? Eine wahre Schweine-Invasion!
    Fortan könnte der Hafen
»Schweine-Bucht« heißen. Das Schloss war umstellt und unter dieser Meute
wirkten Urmels frühere Freunde, Titiwus Bewohner, wie ein winziger, verlorener
Haufen.
    Da krachten unten auch schon
die ersten Schläge gegen das Portal. Holz splitterte, Türen und Fenster brachen
auf. Viel schneller, als das Urmel denken konnte, was jetzt doch so notwendig
gewesen wäre, war das untere Stockwerk des Schlosses schon überflutet von der
Schweinearmee und erobert. All die Säle, Gemächer, Zimmer, Flure, Gänge und
sogar die Küche.
    Eine Gruppe, geführt von Herrn
Mö, begab sich sofort hinab in den Keller, um Wutz aus dem Verlies zu befreien.
Vielleicht hätte das Urmel noch aus dem Fenster fliehen können? Es machte auch
einen Satz, aber es rutschte in den Pantoffeln aus und brachte sie nicht von
den Füßen. Ach, immer verliert man diese sonderbaren Schuhe, wenn es einem gar
nicht passt. Aber wenn es einmal sein muss, wie eben jetzt, dann scheinen sie
festgeklebt zu sein. Festgeklebt mit Vogelleim, dem unlösbarsten Kleister der
Welt!
    Und auch der Morgenrock war
wohl festgeklebt oder festgeschnürt?
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