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Urlaub fuer rote Engel

Urlaub fuer rote Engel

Titel: Urlaub fuer rote Engel
Autoren: Landolf Scherzer
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herausgemessen wurde, stand der Gärtner zähneknirschend daneben, denn
     dort wuchsen seine wertvollsten Obstbäume. Weil kein Verhandeln half, nahm er die Säge und fällte auch die restlichen Bäume.«
    Nach dem Studium arbeitete Helmut Hoffmeister bei der Deutschen Reichsbahn. Zwar konnte er sich seinen größten Wunsch – eine
     neue Strecke zu vermessen – nicht erfüllen, aber nach seinen Angaben wurden viele Hunderte Kilometer Gleise erhöht oder begradigt.
     Wo Hoffmeister gemessen hatte, holperten die Züge weniger.
    In aller Eile musste er dann nach dem 13. August 1961 die alte Eisenbahnstrecke von Gerstungen nach Eisenach teilweise neu
     trassieren. Die verließ an fünf Stellen die DDR und führte kurz über das BRD-Territorium. Die DDR-Eisenbahner kannten diese
     Stellen und sprangen nach dem Mauerbau dort vom Zug.
    »Am 11. April 1962 – da feierte ich meinen 23. Geburtstag – startete der Zug unter dem Beifall der Politbüromitglieder und
     des Ministers zur Jungfernfahrt auf der neuen Strecke. Anschließend musste sie allerdings drei Monate nachgebessert werden,
     bevor für sie, die nun an keiner Stelle mehr ›feindwärts‹ verlief, das Signal endgültig auf ›Freie Fahrt‹ gestellt werden
     konnte.«
    11 Jahre arbeitete Hoffmeister bei der Bahn. Danach war er 11 Jahre an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar.
     Wegen der Wende fehlten ihm bei seiner nächsten Arbeitsstelle, dem Kombinat für Geodäsie und Kartographie, drei Monate an
     wiederum 11 Jahren.
    »Ich hatte mein DDR-Leben, wie es sich für einenVermesser gehört, ordentlich in ein Koordinatensystem von 3 mal 11 Jahren eingeteilt. Alles nach Plan.«
    Er revidiert sich lachend: »Natürlich war das nicht planmäßig, sondern Zufall, denn ich bin kein großer Berechner. Schon als
     4-jähriger Steppke erlebte ich eine große Enttäuschung mit dem Meter. Ich bat die Großmutter, klug sollte es klingen, und
     viel sollte es sein, nicht bloß um eine Schnur, sondern um einen Meter Schnur und konnte es nicht begreifen, dass die Schnur,
     die sie mir gab – ein ganzer Meter (!) –, nicht länger war als ich.«
    Die wichtigsten Eckpunkte in seinen 11-Jahres-Zyklen: »1961, als ich bei der Eisenbahn war, habe ich Inge geheiratet. Sie
     arbeitete als Zeichnerin in unserem Büro. Zuvor hatte ich sie ein Jahr lang so ordentlich vermessen, dass die Koordinaten
     immer noch stimmen. Vermesserehen halten lange.« Er beendete die 11 Jahre als Dipl.-Ing. bei der Eisenbahn, weil er nach der
     Geburt der Tochter ein ordentlicher Familienvater geworden war, im Beruf weiterkommen und seinen Doktor machen wollte. Vielleicht
     aber auch, weil er drei Jahre zuvor ein beschämendes Bildungserlebnis hatte: »Ich war im Fernsehen! Bei Karl Gass in der Wissenssendung
     ›Sind Sie sicher?‹. Doch im Scheinwerferlicht der Jupiterlampen verwechselte ich schon bei der Geschichtsfrage die Schlacht
     von Königgrätz mit der von Austerlitz und konnte dann nicht einmal mehr die mathematische Aufgabe lösen. Und alle haben es
     gesehen! Alle guckten an diesem Abend den Karl Gass, weil im Westfernsehen nichts Ordentliches lief.«
    Ab 1969 hat er am Lehrstuhl für Mess- und Versuchswesen in Weimar gelehrt, geforscht und zum Thema»Qualität des Plattenbaus« promoviert. »Bei den damals gebauten 16-Geschossern sind die Vermesser wegen der Statik Stock für
     Stock mit hochgegangen und haben die Platten beim Aufeinandersetzen jedes Mal millimetergenau ausgerichtet.«
    Damals wurde er für ein Jahr nach Moskau an die Geodätische Hochschule delegiert. »Dort habe ich bei den erfahrensten Geodäten
     der sozialistischen Länder gelernt. Und ich habe dort auch einen Vater gefunden: den armenischen Professor Bagratuni. Er war
     im selben Jahr wie mein vermisster Vater geboren, hatte den Völkermord der Türken an den Armeniern überlebt und in Moskau
     noch bei dem berühmten Erdvermesser Krassowski studiert. Ich hatte in der Sowjetunion im Krieg meinen Vater verloren und im
     Frieden einen neuen gefunden.«
    Die Arbeit an der Hochschule beendete er nach 11 Jahren, weil er zwischen Weimar und seiner Heimatstadt Erfurt täglich drei
     Stunden hin- und herfahren musste. »Mir fehlte Lebenszeit für mich, für die Freunde und für meine Familie.«
    In seiner neuen Arbeitsstelle, dem Erfurter Kombinat für Geodäsie und Kartographie, war der Bereichsleiter Günter Sonntag
     gleichzeitig der Leiter der Grenzkommission DDR – BRD. »Und obwohl die im Westen
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