Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Urlaub fuer rote Engel

Urlaub fuer rote Engel

Titel: Urlaub fuer rote Engel
Autoren: Landolf Scherzer
Vom Netzwerk:
weiterzubilden, wer sie gezwungen hatte, nicht nur als einfacher Delegierter am letzten Pädagogischen Kongress im Frühjahr
     1989 teilzunehmen, sondern sich auch noch als auserwählter Delegierter von Margot Honecker empfangen zu lassen. Nein, davon
     erzählen sie – die plötzlich schon immer entschiedene Gegner der DDR gewesen waren – nichts mehr. Stattdessen von DDR-Frühgebore nen in Mülltonnen, Pornovideos in Honeckers Wandlitz-Palast, Doping, Stasi-Morden … Und so hatten wir es manchmal schwer mit dem
     Kennenlernen in unserer neuen Ehegemeinschaft. Dass es nicht so sein muss, merkten Du und ich, als wir die letzten 40 Kilometer
     meiner 400-Kilometer-Grenz-Wanderung gemeinsam liefen. 2 Wir klopften oder klingelten in den hessischen oder thüringischen Dörfern im ersten Haus links und fragten: »Wie geht es Ihnen, fast 15 Jahre, nachdem die Mauer endlich offen ist?«, und die
     ehemaligen Grenzbewohner sagten uns: »Es konnte für uns nichts Besseres geben, als endlich wieder die drei Kilometer entfernt
     wohnenden Verwandten zu umarmen.« Wir schrieben damals gemeinsam darüber und auch über Stacheldraht, Minen, Schäferhunde und
     Grenztote. Doch Du hast angesichts der nun schon musealen Überreste der tödlichen Grenze nicht nur Stacheldraht, Minen, Schäferhunde
     und Grenztote beschrieben. Du stelltest Fragen. Und nicht nur Fragen an die ehemaligen DDR-Bürger. Ich zitiere Dich aus meinem
     Buch »Der Grenz-Gänger«: »Hätten die Grenzer nicht einfach daneben oder in die Luft schießen können, wenn einer flüchtete?
     Sie wären nicht eingesperrt worden, wenn sie ihn nicht getroffen hätten. Mussten sie Befehlen gehorchen? Nein. In Wirklichkeit
     war es Feigheit vor dem kleinen Risiko oder Beförderungssucht, die Bange, sich bei den Vorgesetzten unbeliebt zu machen …
     Denn der Staat belobigte Unmenschlichkeit an der Grenze. Was sind nicht schon alles für Verbrechen mit Befehlsnotstand gerechtfertigt
     worden. Und was werden›unsere‹ Grenzschützer machen, wenn sie auf die Ärmsten der Armen, die aus Afrika und Asien über die Grenze in unsere ›Wohlstandsländer‹
     fliehen wollen, schießen sollen?«
    Und: »Nur die besten deutschen Schäferhunde überlebten die schreckliche Tortur, jahrelang, bei Hitze und Frost angebunden,
     an der Grenze entlangzulaufen. Von diesen wählten die Züchter wiederum nur die härtesten für die nächste Generation aus. Ausgerechnet
     diese widerstandsfähigsten und schärfsten Grenzhunde kauften nach der Wende amerikanische Züchter. Wo werden die deutsch-amerikanischen
     Schäferhunde heute eingesetzt? Vielleicht an der mexikanischen Grenze?«
    Ich wollte Dir schon lange für diese Fragen danken. Sie machen Mut, denn sie zeigen, dass wir, nachdem wir den anderen kennengelernt
     haben, nun auch gemeinsam wichtige Fragen zu unserem vereinten Land und seinen alten und neuen Problemen stellen können. Du
     müsstest nicht, wie Du das jetzt tust, als Obdachloser in Köln und Hannover untertauchen. Du könntest das mit dem gleichen
     Ergebnis auch in Eisenach tun. Und ich müsste nicht, wie ich das jetzt mache, in der Lebensmitteltafel von Eisenach Brot und
     Gemüse für Hartz-IV-Empfänger ausgeben. Ich könnte das genauso in Köln oder Hannover tun. Wir haben die Einheit. In jeder
     Beziehung …
    Auf bald und bis zum nächsten Shuffle-Match Noch-Schnee-Grüße aus Thüringen nach Köln.
    Dein Landolf
     
    2009

Textnachweise
    Günter Wallraff, »Schreib das auf, Scherzer!«
– Zuerst in: L. S., »Mitleid ist umsonst, Neid mußt du dir erarbeiten«. Reportagen, Berlin 1997. Leicht gekürzt.
    Feenmärchen zu verkaufen
– Ebd.
    Die Meile der Eitelkeiten
– Ebd.
    Der sterbende Schwan in der Elsteraue
– Ebd.
    Die Kalikarawane
– Ebd.
    »Spiel mir das Lied vom Tod!« I
– Ebd.
    »Spiel mir das Lied vom Tod!« II. Vergessenes Bischofferode
– Zuerst in: Günter Grass, Daniela Dahn, Johano Strasser (Hg.), »In einem reichen Land. Zeugnisse alltäglichen Leidens an
     der Gesellschaft«, München 2002. Leicht gekürzt.
    Wir himmeln hier per Hand
– Zuerst in: L. S., »Mitleid ist umsonst, Neid mußt du dir erarbeiten«.
    Das Innere der Glaskugel
– Ebd.
    Sag Sascha, nicht Alexander! oder: »Die Eltern haben drei Kinderärzte totgeschlagen«
– Ebd. Überarbeitete Fas sung.
    Die Erben der Öfen oder: »Das ist der Bengel von dem Kriegsverbrecher!«
– Ebd. Überarbeitete Fassung.
    Ein Gebirge wird verkauft oder: »Das Lied können Sie heute getrost
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher