Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
TS 15: Der Unheimliche

TS 15: Der Unheimliche

Titel: TS 15: Der Unheimliche
Autoren: Wilson Tucker
Vom Netzwerk:
 
1. Kapitel
     
    Die Mikrophone waren taub und tot. Die blasse Frau, die in verhaltener Angst am Fenster lehnte, hatte die Zuleitungen aus der Wand gerissen. In wilder Wut, in der Wut der Verzweiflung.
    In einem der unteren Stockwerke mußte jetzt die Entscheidung gefallen sein. Die Heuchelei hatte endlich ein Ende.
    „Er will dich töten lassen? Wann? Heute noch?“
    Sie fragte es laut, ohne Furcht vor lauschenden Mikrofonen. Starr blickte sie durchs Fenster, hinab auf den gepflegten grünen Rasen. Gestalten bewegten sich dort unten, marionettenähnliche Gestalten, die ängstlich vermieden, zu den Fenstern des dritten Stockwerks hinaufzusehen.
    „Paul …?“
    Er rührte sich nicht, hatte überhaupt nicht zugehört. Er war in ein Buch vertieft.
    Die Frau starrte weiter zum Fenster hinaus. Ein Mann in knapp sitzender Uniform kam auf das Haus zu, gefolgt von zwei anderen Männern in Zivil. Sie kannte sie alle, diese anderen Männer. Sie wußte, welche von ihnen Geheimagenten waren und welche zum Stab des Hauses gehörten, obwohl die Agenten sich unter das Personal zu mischen versuchten, um ihre Zahl und ihre Identität zu verschleiern.
    „Paul, dieser Entschluß – dich zu töten; ist er endgültig?“
    „Ja“, sagte der Mann, ohne von seinem Buch aufzusehen.
    „Wer von ihnen? Wer soll es tun?“ Mit unruhigen Blicken verfolgte sie die Männer, die unten gingen Und kamen. „Weißt du, wer?“
    „Ich weiß es nicht sicher“, sagte er langsam. „Ich glaube, es wird der Neue sein, der sich Colonel Johns nennt.“
    Die Frau ließ ihren Blick von dem gepflegten Rasen und den uniformierten Gestalten zu der hohen Steinmauer und den dahinter aufragenden Bäumen wandern, die den ihnen aufgezwungenen Horizont bildeten. Es waren hohe, alte Fichten, die sich prächtig gegen den blauen Himmel Marylands abhoben. Die Mauer hingegen war neu und häßlich. Mit ihren Glasscherben und Alarmdrähten zerstörte sie das friedliche Bild. Lange starrte die Frau sie an. Sie konnte nicht sehen, was dahinter war, in und unter den Bäumen. Und dennoch wußte sie es.
    Sie wußte, daß dort, dicht hinter der Mauer und zwischen den Bäumen, Männer wachten und beobachteten, ohne jemals zu erfahren, wen und was sie bewachten. Die Scharfschützen, die sich im Geäst verborgen hielten, denen die Beine steif wurden vom reglosen Sitzen, und die Doppelposten mit ihren Maschinenpistolen, die unter den Bäumen auf und ab patrouillierten.
    „Colonel Johns“, sagte sie mit tonloser Stimme. „Er ist vom Heer, glaube ich.“
    „Ein Freund Slaters, jemand, den er sich für diesen Auftrag hergeholt hat.“
    „Colonel Johns ist vor ein paar Stunden aus Washington gekommen.“
    Paul nickte. „Er kam zusammen mit Slater.“
    „Sind sie jetzt hier im Haus?“
    Er nickte erneut. „Sie haben den Entscheid aus Washington mitgebracht.“
    „Aus Washington?“ fragte sie. „Von welcher höheren Stelle?“
    „Von keiner höheren als Slater. Der Beschluß stammt von ihm.“ Paul schaute von seinem Buch auf. „Nicht von den hohen Tieren dort. Denen wird er erzählen, daß es ein Unfall war, ein ganz gewöhnlicher Unfall. Alle werden mein unerwartetes Ableben und den Verlust, den unsere Nation erlitten hat, aufs tiefste bedauern.“ Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. „Die Männer in den höheren Kommandostellen sind nicht übermäßig argwöhnisch. Im allgemeinen pflegen sie ihren Untergebenen zu glauben, und sie haben keinen Grund, Slater zu mißtrauen.“
    Die Frau am Fenster hatte sich umgedreht.
    „Paul!“ Mit wenigen Schritten ging sie zu ihm hinüber und schob ihm das Buch aus den Händen. „Wie kannst du jetzt noch lesen?“
    Paul hob das Buch auf, schloß es sorgfältig und legte es auf den Rauchtisch neben dem Sessel. „Es sind Roys Telekinetische Studien“, sagte er lächelnd. Er streckte die Hand aus und zog die Frau zu sich auf den Schoß.
    „Dieser Johns“, fragte sie ruhig, „wie will er es ausführen?“
    „Sie wissen es nicht – noch nicht.“
    „Wann?“
    „Heute abend, glaube ich. Auf jeden Fall, bevor morgen die Sonne aufgeht.“
    Sie zuckte zusammen. „Schon so bald?“
    „Ja, schon so bald“, wiederholte er. „Bevor sie alle dort unten die Nerven verlieren.“
    Ihren Körper durchlief ein heftiges Zittern. „Ich kann nichts dafür, Paul. Ich habe ganz einfach Angst.“
    „Das darfst du nicht, mein Engel. Hörst du? Du darfst es nicht.“ Er zog sie noch enger an sich heran, drückte ihren Kopf auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher