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TS 15: Der Unheimliche

TS 15: Der Unheimliche

Titel: TS 15: Der Unheimliche
Autoren: Wilson Tucker
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denken.“ Paul zögerte verlegen, bevor er es aussprach. „Was ist Telepathie?“
    Die Wirtin schob ihre Brille hinauf, die ihr auf die Nasenspitze gerutscht war.
    „Was was ist?“
    „Telepathie.“
    „Was ist das?“
    „Ich weiß es nicht. Es kam gestern abend im Film vor. Ich dachte, Sie würden es vielleicht wissen.“
    „Ach so – im Film! Vielleicht ist es eine Krankheit.“
    „Nein, ich glaube nicht. Es hat etwas mit der Kraft von Gedanken zu tun, mit denen man andere Leute beherrschen kann.“
    „Also so etwas weiß ich bestimmt nicht. Das Wort hört sich aber an, wie etwas, was der Doktor sagt. Eben wie eine Krankheit. Warum gehen Sie nicht in die Bücherei und schauen nach?“
    „Das ist eine Idee!“ Er war verblüfft, daß er nicht selber darauf gekommen war. „In der Bücherei muß darüber ganz sicher etwas zu finden sein.“
    Als Paul den Lesesaal der Stadtbibliothek betrat, zögerte er zunächst, sein Anliegen vorzubringen. Er wollte sich nicht lächerlich machen, falls Telepathie sich als etwas erweisen sollte, was sich ein einfallsreicher Drehbuchautor ausgedacht hatte, um die Zuschauer das Gruseln zu lehren. Das dicke Lexikon, das er auf dem Schreibtisch der Bibliothekarin liegen sah, befreite ihn aus dieser Verlegenheit. Er fragte, ob er es benutzen dürfte, und schlug es auf.
    Telepathie, Gedankenlesen; die vermutete Möglichkeit der Übertragung von Gedanken von einer Person auf eine andere, auch entfernte Person ohne Vermittlung der Sinne. (Ausdruck wurde aus dem Griechischen abgeleitet und um 1886 erstmals verwendet.) Derart gerüstet wandte Paul sich mit seiner Frage an die Bibliothekarin. Sie schien über sein Begehren nicht im mindesten überrascht zu sein, sagte ihm, er sollte warten und verschwand hinter ihren Regalen. Einige Minuten später tauchte sie mit drei staubigen Büchern auf und reichte sie Paul. Zwei davon waren von Joseph Banks Rhine, Übersinnliche Wahrnehmungen und Neue Grenzen des Geistes. Das dritte war von Dr. William Roy, Telekinetische Studien. Die Bibliothekarin musterte ihn abschätzend und fügte dann hinzu: „Ich glaube, wir haben auch einige Romane, die dieses Thema behandeln. Wären Sie auch daran interessiert?“
    Paul schaute auf die Bände, die er in den Händen hielt. „Wie viele darf man auf einmal entleihen?“
    „Vier. Diese hier können Sie zwei Wochen behalten und, wenn Sie wollen, um zwei weitere verlängern lassen. Romane müssen jedoch nach zwei Wochen zurückgegeben werden.“
    „Dann nur einen“, entschloß sich Paul. „Geben Sie mir bitte diese drei und einen Roman.“
     
    *
     
    Zuerst las er den Roman. Er las ihn langsam und sorgfältig und suchte nach zwischen den Zeilen verborgenen Erklärungen für das seltsame Phänomen der Telepathie. Der Herr der Zeit war die romantische Geschichte eines Mannes und einer Frau, die telepathischen Kontakt durch körperliche Berührung herstellten, durch einen Kuß, durch eine Umarmung oder indem sie sich an den Händen hielten.
    Wenn die beiden in solch enger körperlicher Berührung standen, war jeder von ihnen in der Lage, die Gedanken des anderen zu lesen. Sobald sie sich voneinander lösten, endete die Gedankenübertragung.
    Paul hatte Bixby aber nicht berührt und auch nur selten seine Tante. Als kleiner Junge pflegte er ihr zwar einen Gute-Nacht-Kuß zu geben. Später beschränkten sich die Küsse und das Handgeben nur auf besondere Gelegenheit, wenn einer von ihnen für längere Zeit verreiste. Und er konnte sich nicht erinnern, daß in solchen Augenblicken eine Übertragung der Gedanken stattgefunden hatte. Der Roman gab also nicht die Antwort, die er suchte.
    Als nächstes nahm er sich die beiden Bücher von Rhine vor und machte die erschütternde Entdeckung seiner selbst.
    Telepathie war kein Phantasieprodukt, Telepathie gab es wirklich.
    Es gab mehrere Formen dieses Phänomens, die mathematisch nachgewiesen waren, obwohl sie den Naturgesetzen zuwiderzulaufen schienen. Rhine, ein Parapsychologe an der Universität von Los Angeles, hatte in mehrjährigen Versuchen ein Verfahren entwickelt, das alle Fehlerquellen und bloßen Vermutungen ausschloß und auf den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit basierte. Er verwandte ein Kartenspiel mit fünf Antworten, die nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erwartende Zahl der ,Treffer’ in einem solchen Maße überstieg, daß dies unmöglich auf einem Zufall beruhen konnte. Er war jedoch nicht bei Kartenspielen stehengeblieben.
    Personen, die
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