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TS 15: Der Unheimliche

TS 15: Der Unheimliche

Titel: TS 15: Der Unheimliche
Autoren: Wilson Tucker
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sich in einem anderen Raum befanden, waren imstande, die Gedanken und Gespräche des Versuchsleiters zu erraten. Andere waren in der Lage, vom Versuchsleiter gedachte oder gezeichnete Bilder und Symbole nachzumalen. Bei all diesen unter den bestmöglichen Bedingungen durchgeführten Versuchen war jedoch ein hohes Maß von Zusammenarbeit zwischen den Partnern unerläßliche Voraussetzung. Der eine mußte sich konzentrieren, während der andere das Bild des fraglichen Gegenstandes zu empfangen versuchte.
    Paul hingegen war nicht auf diese Voraussetzungen angewiesen gewesen. Niemals hatten die Personen, deren Gedanken er erriet, sich bewußt zu konzentrieren oder mitzuarbeiten brauchen. Er wußte ihre Gedanken, ohne daß sie es überhaupt ahnten. Mehr noch. Er wußte von der Existenz von Dingen ohne direkten geistigen Kontakt. Wie hätte er sonst so leicht die Gelegenheitsarbeiten finden können, als er sich mit dreizehn Jahren das Geld für die Fahrt nach Chicago zu verdienen versuchte.
    Ein anderer Fachausdruck wies auf noch ganz andere Möglichkeiten hin: Parapsychologie.
    Diese Wissenschaft beschäftigte sich nicht nur mit der Telepathie, sondern mit noch weiteren ungeahnten Kräften des menschlichen Geistes: Hellsehen, Telekinese und Teleportation. Das Lexikon aufdem Tisch der Bibliothekarin gab für alles eine kurze Erklärung. Hellsehen war die Fähigkeit, Dinge zu erkennen und zu sehen, die für das Auge normalerweise nicht sichtbar waren oder in der Zukunft lagen; seine Vorhersage bei der Präsidentschaftswahl, sein Vorausahnen der Begegnung mit dem Eisenbahndetektiv bewiesen, daß auch er über diese Gabe verfügte. Telekinese war die unbegreifliche Kraft, leblose Gegenstände zu bewegen, ohne sie zu berühren – Roy schlug vor, einen Briefbeschwerer zu verschieben, bis er vom Tisch fiele, allein durch den Willen, daß es geschehen sollte. Teleportation war die verblüffendste Form der Bewegung – die Versetzung der eigenen Person über große Entfernungen, ebenfalls allein durch Willenskraft.
    Als die vier Wochen abgelaufen waren, trug Paul die Bücher in die Bibliothek zurück und versuchte, den Band von Roy käuflich zu erwerben; er erschien ihm als der wertvollste von den dreien, da er die erstaunlichsten und modernsten Theorien und Auffassungen brachte. Die Bibliothekarin konnte ihm das Buch zwar nicht verkaufen, half ihm aber, die Bestellung aufzugeben, und schlug den Preis nach. Es kostete sieben Dollar, aber Paul war überzeugt, das Geld gut angelegt zu haben.
    An den nun folgenden Abenden beschäftigte er sich in seiner Vorführkabine mehr mit diesem Buch als mit seinen Filmapparaturen. Er versuchte sogar, einige der in dem Buch angeführten Experimente selber zu wiederholen. Minutenlang stand er hinter dem winzigen Guckfenster, durch das er in den Zuschauerraum sehen konnte, und starrte die Hinterköpfe der Kinobesucher an. Doch nichts geschah, soweit er feststellen konnte. Er konnte nicht in ihre Gedanken eindringen, konnte nicht erraten, was sie als nächstes tun würden. In gelinder Verzweiflung begann er erneut, das Buch zu studieren.
     
    *
     
    Einige Monate später tat er aus reiner Hilfsbereitschaft etwas, was er später einmal sehr bereuen sollte und was in den zuständigen Washingtoner Kreisen innerhalb von sieben Jahren zum zweitenmal wie eine Bombe einschlug.
    Paul hatte inzwischen erfahren, daß es in der Hauptstadt zwei voneinander unabhängige Sicherheitsorgane mit ganz verschiedenen Aufgabenbereichen gab, den Secret Service und das FBI. Der Secret Service unterstand dem Finanzministerium, war für die Sicherheit des Staatsoberhauptes verantwortlich und verfolgte alle Finanzverbrechen, wie Falschmünzerei und Zollvergehen. Das FBI hingegen unterstand dem Justizministerium und befaßte sich mit der Aufklärung von Staatsverbrechen. Paul war sich über den Zuständigkeitsbereich der beiden Sicherheitsorgane ungefähr im klaren. Ererkannte, daß er einen Fehler gemacht hatte, als er den Brief über Bixby an das Weiße Haus geschickt hatte; er würde in die Hände des Secret Service gelangt sein. Er hätte den Brief vielmehr an den FBI richten sollen, dem Bixby angehört haben mußte.
    Und so schrieb er mit erstaunlicher Naivität einen zweiten Brief. Diesmal adressierte er ihn an das FBI und wies darauf hin, daß er seinen ersten Brief versehentlich an den Secret Service gerichtet hatte. Sofern im Weißen Haus die eingehenden Briefe von vor sieben Jahren noch aufgehoben würden, müßte
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