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TS 15: Der Unheimliche

TS 15: Der Unheimliche

Titel: TS 15: Der Unheimliche
Autoren: Wilson Tucker
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Fragen aussprach, längst eine passende Antwort bereit. Bereits eine volle Woche vor ihrem Tod hatte er gespürt, daß mit ihr eine seltsame Veränderung vorging, daß ihr geistiges Bild immer blasser und dunkler zu werden schien.
    Und wie war es bei den Lehrern in der Schule gewesen? Er hatte niemals zu lernen brauchen und hatte dennoch sowohl bei den mündlichen wie auch bei den schriftlichen Prüfungen mehr gewußt, als in den Lehrbüchern stand. Mitunter hatte es sogar peinliche Situationen gegeben, wenn er mit seinem Wissen weit voraus war, wenn er Dinge wußte, die er nach seinem Alter und nach seiner Vorbildung noch gar nicht wissen konnte, auch wenn die Lehrer genau wußten, wovon er sprach. Den verblüfften Gesichtern der Lehrer war in solchen Augenblicken stets anzusehen, daß sie das, was er sagte, gerade selber hatten sagen wollen.
    Nicht anders war es mit den Mädchen. Die Kleine dort drüben auf der anderen Seite der Straße – sie würde sich nach den ersten paar Verabredungen kaum noch für ihn interessieren, trotz seiner magischen Verbindungen zum Kino und trotz der vielen Freikarten, die für sie abfallen würden. Er kannte ihre geheimsten Wünsche, durchschaute all ihre kleinen Lügen und falschen Vorspiegelungen.
    Alles durch die geheimnisvolle Kraft der Telepathie.
    In ganz kurzer Zeit hatte er gewußt, wie man mit dem Projektor umzugehen hatte, aber nicht allein dadurch, daß er dem Vorführer aufmerksam zugehört hatte. Er hatte auch die Dinge aufgefangen, die unausgesprochen blieben. Stets hatte er gewußt, was als nächstes zu tun war, wenn der Mann mit schnellen Fingern an Film und Apparat herumhantierte, und hatte dann die Genugtuung zu sehen, daß es auch wirklich getan wurde.
    Im vergangenen Jahr waren die Präsidentschaftswahlen gewesen; ein Präsident hatte auf eine dritte Amtsperiode kandidiert; etwas, was noch niemals erfolgreich versucht worden war und von dem die Leute sagten, daß es auch diesmal erfolglos sein würde. Doch Paul hatte für sich im stillen den Erfolg dieser Kandidatur auf eine dritte Amtsperiode genau vorhergesagt.
    Doch schon vorher, schon viel früher …
    Unvermittelt tauchte vor ihm in aller Deutlichkeit das Bild des Mannes auf, der in einer der dunklen Seitengassen von Chicago mit einer Kugel im Leib auf die Knie gesunken war.
    Mr. Bixby.
    Bixby hatte niemals seinen Namen genannt, hatte überhaupt nicht zu ihm gesprochen, abgesehen von den beiden Warnungen, die er ihm zugerufen hatte. Er war aber nicht sofort gelaufen, hatte einen Augenblick gezögert, weil Bixby ein G-Man war und Paul sich seit seiner Kindheit nichts sehnlicher gewünscht hatte, als spätereinmal gerade das zu werden – ein Geheimagent der Regierung. Daher hatte er sich sofort mit Bixby innerlich verbunden, sich ihm gegenüber verpflichtet gefühlt und war stehengeblieben, um ihm zu helfen. Und in diesen wenigen Augenblicken hatte er die ganze Todesqual des Mannes nicht nur gesehen, sondern auch gespürt, hatte sofort gewußt, welche dramatischen Ereignisse sich dort im Dunkel abgespielt hatten, ohne daß davon ein Wort gesprochen worden war. Er hatte noch mehr erfahren – Bixbys Geheimnamen, mit dem er die Briefe unterzeichnete, die er nach Washington schickte, und die Namen und das Versteck der beiden Männer, die Bixby in den Hinterhalt gelockt und ihn erschossen hatten. Und noch etwas anderes war gewesen, zwei Teile, die sich zu einem Ganzen zusammenzufügen schienen …
    Ein schwarzer Schatten hatte sich über Bixbys Gesicht gelegt, als er starb; ein Schatten, der anzudeuten schien, daß etwas für immer entschwand; ein Schatten des Todes, der den Jungen zutiefst erschreckt hatte. Und dieser Schatten, dieses Schwinden hatte auch auf dem Gesicht seiner Tante gelegen, als sie starb.
    Telepathie – Übertragung der Gedanken.
    Als sich im Osten der Himmel rötete und die Dämmerung zum Fenster hereinschlich, lag Paul immer noch wach in seinem Bett.
     
    *
     
    „Sind Sie krank? Fehlt ihnen etwas?“
    „Nein“, sagte Paul. „Warum?“
    „Ich habe gehört, wie Sie sich die ganze Nacht im Bett herumgewälzt haben.“ Die Wirtin saß ihm am Frühstückstisch gegenüber und beobachtete ihn beim Essen. „Ich dachte schon, Sie wären krank.“
    „Alles in bester Ordnung. Vielleicht hatte ich zuviel Kaffee getrunken.“
    „Sie sollten am Abend keinen Kaffee trinken. Das ist gar nicht gesund für Sie. Sie sollten lieber Milch trinken. Vergessen Sie das nicht.“
    „Gewiß, ich werde daran
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