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TS 15: Der Unheimliche

TS 15: Der Unheimliche

Titel: TS 15: Der Unheimliche
Autoren: Wilson Tucker
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froh, daß seine Tante darauf bestanden hatte, er müsse eine Jacke mitnehmen. Er zog sie an, stellte sich dicht neben die offene Tür des Güterwagens und blickte auf die Landschaft hinaus.
    Als der Zug vor dem Güterbahnhof von Chicago die Fahrt verlangsamte, sprang Paul ab und lief quer über die Geleise zur Straße hinüber.
    Eine Frau sagte ihm, mit welcher Straßenbahn er zum Loop, der großen Hochbahnschleife, fahren konnte. Dort stieg er in einen Bus, der ihn zum Messegelände hinausbrachte. Er war am Ziel seiner Reise, mit ein paar Cents weniger als acht Dollar in der Tasche.
    Er ging schnurstracks zu einem der Schalter und kaufte sich bei einer verwirrend hübschen Kassiererin eine Eintrittskarte. Eine Minute später stand er mit weit aufgerissenen Augen in der Fahnenallee.
     
    *
     
    Spät abends verließ Paul die Ausstellung und fuhr mit dem Bus zum Loop zurück. Zum Abendessen ging er in ein Lokal, in dessen Fenster ein großes Preisschild hing. In einer der dunklen, geräuschvollen Straßen unter den Hochbahngeleisen gab es eine ganze Zahlsolcher Eßlokale. Volle Mahlzeit, 35 Cents. So viel, wie Sie essen können, 24 Cents. Abendessen mit drei Gängen, 22 Cents. In der gleichen Straße schien sich auch ein Hotel ans andere zu reihen. Sie machten sich ebenso scharfe Konkurrenz wie die Lokale. Zimmer für eine Nacht, 50 Cents. Saubere Zimmer, 35 Cents. Zimmer mit Frühstück, 40 Cents. Er entschied sich für das letztere; nicht jetzt, noch nicht – es war noch zu früh, schlafen zu gehen, aber zu diesem Hotel würde er zurückkommen. Das Gratisfrühstück war eine allzu große Verlockung.
    Dann fand er ein Kino, das die ganze Nacht durch spielte, und der Eintritt kostete nur 10 Cents. Er ging hinein und sah sich den Cowboyfilm zweimal an.
    Als Paul das Kino verließ, war es schon wesentlich dunkler und einsamer auf den Straßen. Selbst das Donnern und Klappern vorbeifahrender Hochbahnzüge war nicht mehr so häufig zu hören. Ziellos wanderte Paul umher, bog auf gut Glück in irgendwelche Seitenstraßen ein und wußte nach dem langen Aufenthalt im Kino schließlich nicht mehr, wo er sich befand. Eine der Ecken kam ihm bekannt vor. Er beschleunigte seine Schritte und bog in die neue Richtung ein. Aber es war nicht die Straße mit den Restaurants und Hotels. Er wollte gerade umkehren und auf die Hauptstraße zurückgehen, als er einen Mann bemerkte.
    Zuerst dachte er, der Mann wäre betrunken. Doch im nächsten Augenblick wurde Paul klar, daß es etwas anderes sein mußte. Der Mann kauerte in der Einmündung einer dunklen Seitengasse. Er war auf die Knie gesunken und schien verletzt zu sein – angeschossen. Ohne sich zu besinnen, ging Paul näher heran. Der Mann hörte ihn kommen, wandte den Kopf und starrte ihn an.
    „Hat man auf Sie geschossen?“ stammelte Paul.
    „Verschwinde von hier, Kleiner! Los, lauf!“
    Paul rührte sich nicht. Zwar hatte er Angst und wäre am liebsten so schnell gelaufen, wie ihn seine Beine tragen wollten. Aber der Mann, der hier auf den Knien lag, war ein Polizist. „Sie müssen die Verbrecher fangen! Niemand darf einen Polizisten …“
    „Wirst du wohl sofort von hier verschwinden, du kleiner Narr!“ Der Verwundete preßte die Hand gegen die Brust und sah den Jungen mit glasigen Augen an.
    Paul zögerte immer noch. Er wußte plötzlich eine ganze Menge Dinge, fühlte selber die rasenden Schmerzen, unter denen sich der Mann zusammenkrümmte. Und der Mann war kein gewöhnlicher Polizist. Er war ein G-Man, ein Geheimagent. Aus Washington. Er hatte keine Waffe und war dicht unter der Schulter in die Brust getroffen worden. Der Name des Mannes war Bixby.
    „Mr. Bixby, ich werde Hilfe holen. Die Gangster dürfen nicht entkommen.“
    Verwundert wandte Bixby den Kopf. „Woher weißt du …?“ Er fiel vornüber, ehe er den Satz vollenden konnte.
    Mit zunehmendem Entsetzen starrte Paul Breen auf den Leichnam hinunter. Er wußte, daß der Geheimagent tot war. Paul drehte sich um und lief, lief, bis ihm der Atem ausging. Völlig erschöpft ließ er sich schließlich auf dem Bordstein niedersinken, hielt die Hände vor das Gesicht und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Kaum hatte er sich ein wenig beruhigt, als ein Fremder neben ihm stehenblieb und die üblichen Fragen stellte. Diesmal hatte er das Herannahen des Mannes nicht gespürt.
    Paul versuchte der Wahrheit auszuweichen. Er sagte dem Fremden, er hätte sich verlaufen und könnte sein Hotel nicht wiederfinden. Er
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