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Urlaub fuer rote Engel

Urlaub fuer rote Engel

Titel: Urlaub fuer rote Engel
Autoren: Landolf Scherzer
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sein Großvater als Maschinenschlosser arbeitete,
     bewarb, war er einer von 8 Lehrlingsbewerbern. »Aber ich hatte damals solch einen schrecklichen Heuschnupfen, dass ich bei
     der Bewerbung kein Wort herausbekam. Also nahm man mich nicht. Danach bin ich zum alten Arnold, dem Betriebsleiter der Nähmaschinenfabrik,
     gegangen. Das war noch ein richtiger Bourgeois. Er verlangte von seinen Lehrlingen, dass die Schrift schnörkellos und leicht
     nach rechts gebeugt war. Meine war kerzengerade und sehr schnörkelhaft. Jede Woche musste ich deshalb bei ihm Artikel aus
     der Zeitung abschreiben. Schnörkellos und geneigt. Mit 14 Jahren so etwas! Da wollte ich nicht mehr in seiner Nähmaschinenfabrik
     lernen.«
    Und weil die Mutter einen Mann von der Vermessung kannte, brachte sie ihren Jungen, dessen Lieblingsfach Mathematik war, als
     Lehrling zu den Geodäten.
    »Ich musste Katasterkarten zeichnen und draußen gleich mit vermessen. Ein Bündel rot-weißer Fluchtstangen, ein Winkelprisma,
     ein Messband, ein Schnurlot, und dann zogen wir los. Am schwersten war es, die Fluchtstangen in den Boden zu stecken. Drei
     Versuche wie beim Speerwerfen, doch immer in dasselbe Loch.Aber im Eichsfeld, wo ich das erlernt habe, gab es nur harten Muschelkalkboden. Ich hätte lieber in der Brandenburger Streusandbüchse
     gearbeitet.«
    Mit 16 war er Vermessungszeichner. »Zuerst habe ich ein Jahr lang die Gebäude und Grundstücke der Innenstadt von Bad Langensalza
     vermessen und eingezeichnet. Diese interessante Aufgabe – die Innenstadt war noch niemals vermessen worden – verdankte ich
     dem preußischen Staat, der um 1870 fast genauso arm war wie manche Thüringer Ministerien heute. Weil es damals an Geld fehlte,
     wurden die Flächen mancher preußischen Dörfer und Städte als ungetrennte Hofräume in das Kataster eingetragen. Damit die Bürger
     aber auch ohne Einmessung ihre Grundstückssteuern an den Staat entrichteten konnten, wurden anstelle der Vermesser Finanzbeamte
     in die ungetrennten Höfe beordert. Die schätzten für die Steuerzahlung die Flächen der Grundstücke.«
    Als Helmut Hoffmeister die Innenstadt von Bad Langensalza vermessen hatte, wollte er studieren. Doch die Kaderleiterin sagte:
     »Dein Vater ist immer noch als in der Sowjetunion vermisst gemeldet. Tot wäre etwas anderes, aber vermisst bestärkt die Feinde
     des Sozialismus in ihrer Propaganda gegen die Sowjetunion.«
    Er kam nur auf die Warteliste, aber hatte Glück. Der auf dem Platz vor ihm ging in den Westen. Die drei Jahre Studium an der
     Ingenieurschule für Geodäsie und Kartographie Dresden wurden für den Nachrücker eine, wie er sagt, unbeschreiblich gute Zeit.
     »Ich habe damals das Leben in seiner gesamten Fülle vermessen.«
    Unterrichtet wurde Ingenieur- und Landesvermessung. Die Ingenieurvermessung, also die Grundlage fürden Aufbau der DDR, die Errichtung von neuen Fabriken, Staudämmen, Verwaltungsbauten, Lagerhallen, Straßen und Eisenbahnstrecken,
     war das Hauptfach. Die Landesvermessung zur Bestimmung von trigonometrischen Punkten war dem untergeordnet, und die Katasterkunde
     lief nur nebenbei mit. »Kataster klang ähnlich wie Kapitalismus. Privateigentum, das abgeschafft werden sollte, musste nicht
     vermessen werden. Dabei hatte sogar der sowjetische Generalsekretär Breshnew zuerst Vermesser gelernt.«
    Schon in der Lehrzeit begriff Helmut Hoffmeister, welche Probleme es bei Eigentumsvermessungen auch in der DDR geben konnte.
     »In einem kleinen Dorf bei Mühlhausen wollte ein Bäuerlein, um von der Sparkasse einen Kredit zu erhalten, sein Haus beleihen
     lassen. Als wir sein Grundstück vermessen hatten, mussten wir ihm sagen: Ihr privates Haus steht 20 Zentimeter auf der Dorfstraße,
     also auf Volkseigentum. Er durfte sein privates Ackerland gegen 20 Zentimeter volkseigenen Straßenrand tauschen. Aber nicht
     1:1. Die zwei Quadratmeter Volkseigentum kosteten 50 DDR-Mark. Für einen Quadratmeter privaten Acker gab es 50 Pfennig. Also
     schnitt der Staat sich für die 2 Quadratmeter Straßenrand 100 Quadratmeter Acker aus dem Feld vom Bäuerlein heraus.«
    Dieser Handel sei vergleichsweise human und kaum anders als heute gelaufen. Aber es hätte damals auch andere Arten der Grenzerneuerung
     gegeben.
    »1954 wurde nördlich von Schlotheim, in Mehrstedt, was jetzt zu Obermehler gehört, ein sowjetischer Militärflugplatz gebaut.
     Ein Teil davon ging diagonal durcheine Obstplantage. Als diese Fläche aus der Plantage
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