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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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gegen zwei Uhr morgens das Haus.
    Ich kam um drei am Bundesgefängnis Lorton an. Die Demonstranten waren wieder da, trugen unter einem mondbeschienenen Himmel die selbstgemachten Transparente. Manche sangen Protestsongs aus den sechziger Jahren. Viele beteten. Mehrere Nonnen, Priester, Pfarrer waren da. Die Mehrheit der Demonstranten waren Frauen, fiel mir auf.
    Die Hinrichtungskammer in Lorton war ein kleiner Raum mit drei Fenstern. Ein Fenster war für die Presse reserviert. Eins für die offiziellen staatlichen Beobachter. Das dritte Fenster war reserviert für Freunde und Angehörige des Häftlings.
    Vor allen drei Fenstern hingen dunkelblaue Vorhänge. Um halb vier Uhr morgens zog ein Gefängnisbeamter sie der Reihe nach auf. Der Häftling war schließlich zu sehen, auf eine Krankenhausbahre geschnallt. Die Bahre hatte eine behelfsmäßige Stütze für den linken Arm.
    Jezzie hatte an die Decke der Kammer gestarrt, aber sie wurde wach und schien sich zu verkrampfen, als zwei Techniker an die Bahre traten. Einer trug auf einem Krankenhaustablett aus rostfreiem Stahl die Nadel. Das Einführen der Katheternadel war der einzige körperliche Schmerz, wenn die Hinrichtung durch eine Todesspritze korrekt durchgeführt wurde.
    Ich war mehrere Monate lang nach Lorton gekommen, um
    Jezzie und Gary Murphy zu besuchen. Ich war von der Polizei von Washington, D.C. beurlaubt, und obwohl ich dieses Buch schrieb, hatte ich genug Zeit für Besuche.
    Gary schien sich aufzulösen. Es stand in allen Berichten über ihn. Er verbrachte die meisten Tage in seiner komplizierten Phantasiewelt. Es wurde immer schwieriger, ihn in die Wirklichkeit zurückzulocken.
    Jedenfalls hatte es den Anschein. Und das ersparte ihm einen weiteren Prozeß, ersparte ihm die Hinrichtungskammer. Ich war mir sicher, daß er Spielchen trieb, aber niemand wollte auf mich hören. Ich war mir sicher, daß er einen neuen Plan machte.
    Jezzie war einverstanden gewesen, mit mir zu sprechen. Wir hatten immer miteinander reden können. Es überraschte nicht, daß sie und Charles Chakely zum Tode verurteilt worden waren. Sie war schließlich für den Tod des Sohns des Finanzministers verantwortlich. Sie und die Agenten vom Secret Service hatten Maggie Rose Dunne gekidnappt. Sie waren verantwortlich für den Tod von Michael Goldberg und den von Vivian Kim. Jezzie und Devine hatten den Piloten in Florida ermordet, Joseph Denyeau.
    Jezzie sagte mir, sie empfinde Reue, habe von Anfang an Reue empfunden. »Aber nicht soviel, daß es mich daran gehindert hätte. Im Lauf der Zeit muß in mir etwas zerbrochen sein. Ich würde es heute vermutlich wieder tun. Ich würde für zehn Millionen Dollar dieses Risiko eingehen. Eine Menge Leute würden das tun, Alex. Es ist das Zeitalter der Gier. Wenn auch nicht für dich.«
    »Woher weißt du das?« fragte ich.
    »Irgendwie weiß ich es. Du bist der schwarze Ritter.«
    Sie sagte mir, ich dürfe mich nicht schlecht fühlen, wenn es vorbei sei. Sie sagte, sie sei wütend auf die Demonstranten. »Wenn ihr Kind gestorben wäre, würden sich die meisten von ihnen ganz anders verhalten.«
    Ich fühlte mich schlecht. Ich wußte nicht, wieviel ich Jezzie glaubte, aber ich fühlte mich schlecht. Ich wollte in Lorton nicht dabei sein, aber Jezzie hatte mich gebeten zu kommen.
    Sonst stand niemand für Jezzie am Fenster. Kein einziger Mensch. Jezzies Mutter war kurz nach ihrer Verhaftung gestorben. Sechs Wochen zuvor war der ehemalige SecretService-Agent Charles Chakely im Beisein seiner Familie hingerichtet worden. Das hatte Jezzies Schicksal besiegelt.
    Lange Plastikschläuche verbanden die Nadel in Jezzies linkem Arm mit mehreren intravenösen Tropfs. Der erste Tropf, der schon lief, enthielt eine harmlose Salzlösung.
    Auf ein Zeichen des Gefängnisdirektors würde intravenös Natriumthiopental zugeführt werden. Das war ein als Anästhetikum benutztes Barbiturat, das Patienten sanft einschläferte. Danach kam eine starke Dosis Pavulon. Sie hätte in etwa zehn Minuten zum Tod geführt. Um den Prozeß zu beschleunigen, wurde eine gleich starke Dosis Kaliumchlorid verabreicht. Diese Droge entspannt das Herz und bringt es zum Stillstand. Sie würde innerhalb von etwa zehn Sekunden zum Tod führen.
    Jezzie entdeckte mein Gesicht im Fenster für ihre »Freunde«. Sie winkte leicht mit den Fingerspitzen, und sie versuchte sogar zu lächeln. Sie hatte sich die Mühe gemacht, sich das Haar zu kämmen, das jetzt kurz geschnitten, aber immer noch
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