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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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gemacht.
    Einfach toll.

Erster Teil

    Maggie Rose und Shrimpie Goldberg

    1992

    1. Kapitel
    Am frühen Morgen des 21. Dezember 1992 gab ich auf der Sonnenveranda unseres Hauses in der 5th Street in Washington, D.C. ein Bild der Zufriedenheit ab. Der kleine, enge Raum war übersät mit schimmelnden Wintermänteln, Arbeitsstiefeln und angeschlagenem Kinderspielzeug. Mir war das völlig egal. Hier war ich zu Hause.
    Ich spielte auf unserem leicht verstimmten, früher mal erstklassigen Flügel etwas von Gershwin. Es war kurz nach fünf und auf der Veranda so kalt wie in einem Fleischkühlfach. Ich war bereit, für »Ein Amerikaner in Paris« ein kleines Opfer zu bringen.
    In der Küche klingelte das Telefon. Vielleicht hatte ich in der Lotterie von D.C. Virginia oder Maryland gewonnen, und sie hatten gestern abend vergessen, mich anzurufen. An allen drei Pechspielen beteilige ich mich regelmäßig.
    »Nana? Gehst du ran?« rief ich von der Veranda.
    »Das ist für dich. Da kannst du selber rangehen«, rief meine reizbare Großmutter zurück. »Hat keinen Sinn, daß ich auch aufstehe. In meinem Wörterbuch heißt kein Sinn Unsinn.«
    Das ist nicht genau, was sie sagte, aber es muß etwas Ähnliches gewesen sein. So redet sie immer.
    Ich humpelte in die Küche und wich auf morgensteifen Beinen weiterem Spielzeug aus. Damals war ich achtunddreißig. Wie es so schön heißt, wenn ich gewußt hätte, daß ich so lange leben würde, hätte ich besser auf mich aufgepaßt.
    Der Anruf kam von meinem Verbrechenspartner John Sampson. Sampson wußte, daß ich auf war. Sampson kennt mich besser als meine Kinder.
    »Morgen, schwarzes Herzchen. Du bist doch auf, oder?« sagte er. Mehr war nicht nötig. Sampson und ich sind die besten Freunde seit wir neun Jahre alt waren und in Parks Gemischtwarenladen in der Nähe unserer Siedlung mit dem Ladendiebstahl anfingen. Damals hatten wir keine Ahnung, daß der alte Park uns wegen eines geklauten ChesterfieldPäckchens erschossen hätte. Nana Mama hätte uns noch was Schlimmeres angetan, wenn sie von unserer Klauerei etwas gewußt hätte.
    »Wenn ich noch nicht aufgewesen wäre, jetzt bin ich's jedenfalls«, sagte ich in den Hörer. »Erzähl mir was Gutes.«
    »Noch ein Mord. Sieht wieder nach unserem Freund aus«, sagte Sampson. »Sie warten auf uns. Die halbe freie Welt ist schon da.«
    »Zu früh am Morgen für den Leichenwagen«, murmelte ich. Ich spürte meinen Magen meutern. So wollte ich den Tag nicht beginnen. »Scheiße. Du kannst mich mal.«
    Nana Mama schaute von dem dampfenden Tee und dem flüssigen Eidotter auf. Sie warf mir einen scheinheiligen Hausherrinnenblick zu. Sie war schon für die Schule gekleidet, in der sie mit neunundsiebzig immer noch aushalf.
    Sampson lieferte mir weitere blutrünstige Einzelheiten über den ersten Mord des Tages.
    »Paß auf, was du sagst, Alex«, sagte Nana. »Bitte, paß auf, was du sagst, solange du vorhast, in diesem Haus zu wohnen.«
    »Ich bin in etwa zehn Minuten da«, sagte ich zu Sampson. »Das Haus gehört mir«, sagte ich zu Nana.
    Sie stöhnte, als höre sie diese Schreckensnachricht zum erstenmal.
    »Wieder ein übler Mord in Langley Terrace. Sieht nach einem Lustmörder aus. Ich fürchte, es ist einer«, erklärte ich ihr.
    »Schlimm«, sagte Nana Mama. Ihre sanften braunen Augen suchten meine und hielten sie fest. Ihr weißes Haar sah wie die Spitzendeckchen aus, die sie auf unsere Wohnzimmersessel legt. »Das ist ein besonders schlimmer Teil einer Stadt, die unsere Politiker haben verkommen lassen. Manchmal denke ich, wir sollten aus Washington wegziehen, Alex.«
    »Manchmal denke ich das auch«, sagte ich, »aber vermutlich halten wir durch.«
    »Ja, Schwarze tun das immer. Wir sind hartnäckig. Wir leiden immer schweigend.«
    »Nicht immer schweigend«, sagte ich.
    Ich hatte schon beschlossen, meine alte Harris-Tweed-Jacke anzuziehen. Es war ein Mordtag, und das hieß, ich würde es mit Weißen zu tun bekommen. Über das Sportjackett zog ich meine Trainingsjacke. Sie paßt besser zur Gegend.
    Auf der Kommode neben dem Bett stand ein Bild von Maria Cross. Meine Frau war vor drei Jahren bei einer Schießerei aus einem fahrenden Auto ermordet worden. Dieser Mord war, wie die meisten Mordfälle im Südosten der Stadt, nie aufgeklärt worden.
    Auf dem Weg zur Küchentür gab ich meiner Großmutter einen Kuß. Das tun wir seit meinem achten Lebensjahr. Wir sagen uns außerdem Lebewohl, für den Fall, daß wir uns nicht wiedersehen.
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