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Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
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einem Jahr mit ihren Eltern von Los Angeles aus gezogen war.
    Michael meinte das natürlich ironisch. Wie immer. Das war seine Ostküstenart mit Leuten umzugehen, die nicht so schlau waren wie er – was so gut wie alle in der freien Welt umfaßte.
    Michael Goldberg war ein echtes Genie, das wußte Maggie. Er las alles und jedes, sammelte Verrücktes, stellte Verrücktes an, war immer witzig, wenn er einen mochte. Er war jedoch ein »blaues Baby« gewesen und war immer noch nicht besonders groß oder kräftig. Das hatte ihm den Spitznamen »Shrimpie« eingetragen, der Michael von seinem Podest des Genies etwas herunterholte.
    Maggie und Michael fuhren an den meisten Morgen gemeinsam zur Schule. An jenem Morgen waren sie mit einem Auto vom Secret Service gekommen. Michaels Vater war Finanzminister. Der Finanzminister. In der Georgetown-Tagesschule war niemand schlicht und einfach »normal«. Alle versuchten, sich anzupassen, auf die eine oder andere Weise.
    Als die Schüler die Aula verließen, wurden alle gefragt, wer sie nach der Schule abhole. In der Georgetown-Tagesschule war Sicherheit ungeheuer wichtig.
    »Mr. Devine –«, erklärte Maggie dem aufsichthabenden Lehrer an der Tür der Aula. Er hieß Mr. Guestier und unterrichtete Sprachen, wozu an der Schule Französisch, Russisch und Chinesisch gehörten. Er hatte den Spitznamen »Le Pric«.
    »Und Jolly Chollie Chakeley«, sprach Michael Goldberg für sie weiter. »Secret-Service-Dienstnummer neunzehn. Großer Lincoln. Kennzeichen SC-fünfzehn. Nordausgang, Pelham Hall. Sie sind auf moi angesetzt, weil das kolumbianische Kartell Todesdrohungen gegen meinen Vater geäußert hat . Au revoir, mon professeur .«
    Es wurde in den Terminkalender der Schule unter dem 22. Dezember eingetragen. M. Goldberg und M. R. Dunne – werden vom Secret Service abgeholt. Nordausgang, Pelham, um drei.
    »Komm schon, Frechdachs.« Michael Goldberg stieß Maggie Rose in die Rippen. »Ich hab' ein schnelles Auto. Tam, ta, ta. Und ich habe einen Plan, uns hier rauszubringen.«
    Kein Wunder, daß sie ihn mochte, dachte Maggie. Wer sonst hätte sie einen Frechdachs genannt? Wer außer Shrimpie Goldberg?
    Als sie die Aula verließen, wurden die beiden Freunde beobachtet. Beiden fiel nichts auf, nichts Ungewöhnliches. Ihnen sollte auch nichts auffallen. Das war meisterhaft so geplant.

    4. Kapitel
     
    Um neun an jenem Morgen beschloß Ms. Vivian Kim, in ihrem Klassenzimmer der Georgetown-Tagesschule Watergate nachzustellen. Sie sollte das nie vergessen.
    Vivian Kim war klug, hübsch und eine anregende Geschichtslehrerin. Ihr Unterricht war bei den Schülern besonders beliebt. Zweimal pro Woche führte Ms. Kim einen Geschichtssketch vor. Manchmal durften die Schüler einen einstudieren. In ihre dritte Klasse gingen Maggie Rose Dunne und Michael Goldberg. Das Klassenzimmer wurde beobachtet.
    Vivian Kim spielte abwechselnd General Haig, H. R. Haldeman, Henry Kissinger, G. Gordon Liddy, Präsident Nixon, John und Martha Mitchell und John und Maureen Dean. Sie war eine gute Imitatorin und äffte Liddy, Nixon, General Haig und vor allem die Mitchells und Mo Dean hervorragend nach.
    »Während seines jährlichen Berichts zur Lage der Nation sprach Präsident Nixon im Fernsehen zum ganzen Land«, erzählte Ms. Kim den Schülern. »Viele Menschen hatten das Gefühl, angelogen zu werden. Wenn ein führender Staatsmann lügt, begeht er ein abscheuliches Verbrechen. Wir haben diesem Menschen unser Vertrauen geschenkt, aufgrund seiner ernsten Worte, seiner Integrität.«
    »Pfui.«
    »Buh.« Zwei Kinder beteiligten sich aktiv am Unterricht. Wenn es im Rahmen blieb, ermutigte Vivian Kim zu dieser Art von Beteiligung.
    »Buh ist völlig richtig«, sagte sie. »Pfui auch. Jedenfalls stand in diesem Augenblick unserer Geschichte Mr. Nixon vor der Nation, vor Menschen wie mir und euch.« Vivian Kim stellte sich in Positur, als stände sie am Rednerpult. Sie machte vor der Klasse Richard Nixon nach.
    Ms. Kim zog ein finsteres, düsteres Gesicht. Sie wiegte den Kopf. »Sie alle sollen wissen …, daß ich nicht die Absicht habe, aus dem Amt wegzulaufen, in das ich vom amerikanischen Volk gewählt worden bin.« Vivian machte eine Pause im authentischen Text der infamen Rede Nixons. Es war wie ein angehaltener Ton in einer schlechten, aber mitreißenden Oper.
    Die vierundzwanzig Schüler im Klassenzimmer waren still. Vivian Kim hatte ihre Aufmerksamkeit völlig gebannt. Es war das Nirwana einer Lehrerin, wie
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