Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Untitled

Untitled

Titel: Untitled
Autoren: Unknown Author
Vom Netzwerk:
das wahr? War es inzwischen so weit gekommen?
    »Hier ist Alex Cross«, rief ich. Ein paar Klugscheißer in der Menge jubelten. Ansonsten war es auf der Straße in der Innenstadt von Washington sehr still geworden.
    Eine wilde Gewehrsalve explodierte plötzlich auf der anderen Straßenseite. Ein Riesenlärm. Auf der ganzen Pennsylvania Avenue gingen Autofenster zu Bruch. Er richtete in ein paar Sekunden einen erstaunlichen Schaden an. Soweit ich sehen konnte, war niemand verletzt. Den beiden Kindern war nichts passiert. Hallo, Gary, auch da?
    Dann eine Stimme auf der anderen Straßenseite. Garys Stimme.
    Er rief mir zu. Es ging nur um uns beide. War es das, was er wollte? Sein privates Zwölf Uhr mittags mitten in der Hauptstadt. Live-Berichterstattung im ganzen Land.
    »Ich will Sie sehen, Dr. Cross. Kommen Sie heraus, Alex. Zeigen Sie allen Ihr hübsches Gesicht.«
    »Warum sollte ich das tun?« Ich sprach über das Megaphon mit Soneji.
    »Denk nicht mal dran«, flüsterte Sampson hinter mir. »Wenn du das machst, erschieße ich dich selbst.«
    Über die Avenue kam eine weitere Gewehrsalve. Sie dauerte noch länger als die erste. In Washington sah es aus wie in der Innenstadt von Beirut. Überall surrten und klickten Kameras.
    Ich stand plötzlich auf und kam hinter einem Polizeiauto hervor. Nicht zu weit, bloß so weit, daß ich erschossen hätte werden können. Weitere Arschlöcher unter den Zuschauern jubelten mir zu.
    »Die Fernsehsender sind hier, Gary«, rief ich. »Sie filmen uns jetzt. Sie filmen mich, während ich hier stehe. Ich werde doch noch der große Star. Schwacher Anfang, aber ein tolles Finish für mich.«
    Soneji/Murphy fing an zu lachen. Er lachte eine Weile. War er manisch? Depressiv?
    »Haben Sie schließlich rausgekriegt, wer ich bin?« rief er mir zu. »Ja? Wissen Sie jetzt, wer ich bin? Wissen Sie, was ich will?«
    »Ich bezweifle es. Ich weiß, daß Sie verletzt sind. Und, daß Sie glauben, Sie müssen sterben. Sonst« – ich machte eine Pause, damit das so dramatisch wie möglich klang – »sonst hätten Sie nicht zugelassen, daß wir Sie wieder fassen.«
    Direkt gegenüber auf der anderen Seite der Pennsylvania Avenue stand Soneji/Murphy hinter dem knallroten Jeep auf. Beide Kinder lagen neben ihm auf dem Gehweg. Bis jetzt schien noch niemand verletzt zu sein.
    Gary verneigte sich theatralisch in meine Richtung. Er sah wie der typische amerikanische Junge aus, genau wie vor Gericht.
    Ich ging jetzt auf ihn zu. Kam immer näher.
    »Netter Einfall«, rief er mir zu. »Gut gesagt. Aber der Star bin ich.« Plötzlich zielte er mit dem Gewehr in meine Richtung.
    Hinter mir hörte ich einen Schuß.
    Gary Soneji/Murphy flog rückwärts auf die Schusterwerkstatt zu. Er landete auf dem Gehweg und rollte herum. Die beiden kleinen Geiseln schrien. Sie rappelten sich hoch und liefen weg. Ich sprintete so schnell wie möglich über die Pennsylvania Avenue. »Nicht schießen!« rief ich.
    Ich drehte mich um und sah Sampson dort stehen. Sein Dienstrevolver war immer noch auf Gary Murphy gerichtet. Er drehte den Lauf nach oben. Sein Blick galt mir. Er hatte es für uns beide zu Ende gebracht.
    Gary lag zusammengesackt auf dem Gehweg. Ein Blutstrom ergoß sich aus seinem Kopf und Mund. Er rührte sich nicht. Seine Hand umklammerte immer noch das automatische Gewehr.
    Als erstes nahm ich ihm das Gewehr weg. Ich hörte hinter uns Kameras klicken. Ich berührte ihn an der Schulter. »Gary?«
    Ich drehte ihn ganz vorsichtig um. Immer noch keine Bewegung. Kein Lebenszeichen. Er sah wieder wie der typische amerikanische Junge aus. Auf diese Party war er als er selbst gekommen, als Gary Murphy.
    Während ich nach unten schaute, gingen Garys Augen plötzlich auf und verdrehten sich nach hinten. Er sah zu mir auf. Seine Lippen teilten sich langsam.
    »Helfen Sie mir«, flüsterte er schließlich mit leiser, erstickter Stimme. »Helfen Sie mir, Dr. Cross. Bitte, helfen Sie mir.«
    Ich kniete mich neben ihn. »Wer sind Sie?« fragte ich ihn.
    »Ich bin Gary … Gary Murphy«, sagte er.
    Schachmatt.

Epilog
     
    Die Grenzen der Gerechtigkeit
     
    1994

    90. Kapitel
     
    Als der schicksalhafte Tag schließlich kam, konnte ich nicht schlafen, nicht einmal ein paar Stunden. Ich konnte nicht auf der Veranda Klavier spielen. Ich wollte niemanden sehen, mit niemandem über das sprechen, was in ein paar Stunden geschehen würde. Ich schlüpfte in ihr Zimmer und gab Damon und Jannie im Schlaf einen Kuß. Dann verließ ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher